#Lyrik

Dunkelrote Mischung

Joachim Gunter Hammer

// Rezension von Helmuth Schönauer

17-Silber und Tanka.

Joachim Gunter Hammers frühe Gedicht-Bände „Lurenbläser“ (1980) und „Verrückung“ (1983) stechen schon durch ihr großes Format ins Auge – und auch die Texte von damals sind breit ausgelegt, brauchen das Querformat und erinnern an Allen Ginsbergs Cinemascope-Lyrik „Howl“.
Knappe zwanzig Jahre und fünf Gedichtbände später hat sich der Autor der kleinen Form zugewandt. Im Lyrik-Band Dunkelrote Mischung sind sämtliche Texte als 17-Silber gestaltet, es gibt erstaunliche Formen wie „gespiegelte Dreizeiler“, „sexy Zeilendreier“ oder dreizeilige Katzen-Kröten-Laute, die durchaus mehr als nur ein Ereignis aus dem Feuchtbiotop artikulieren.

Joachim Gunter Hammer spielt natürlich nicht nur mit der Form, sondern auch mit den Inhalten, wobei der „Doppler“ in seiner schwankenden Mehrdeutigkeit zwischen einem Schallereignis und einem großen Trinkvorrat kongenial die österreichische Seele verkörpert. Liebe, Thailand, Sonnenfinsternis und Vergessen sind einige Themen-Schwerpunkte. Äußerst zünftig und leidenschaftlich legen die „17 flotten Dreizeiler vom Essen und Vögeln und Trinken“ los, die den Leser in die üppig-bacchantische Welt der Lust und des überschwappenden Lebensgefühls entführen.

Immer wieder jedoch pflügen die Texte auch in tiefere Sphären, so etwa die Sterbe-Texte: „Auf der Heimfahrt spielt / ein Kätzchen mit dem platten / Rest eines Sperlings“ (54) Die scheinbare Beiläufigkeit in diesem Spiel des fröhlichen Kätzchens mit dem platten Vogel-Leichnam spricht den Schrecken des plötzlichen Todes auf beeindruckende Weise an.
Eine andere Zeile entführt den Leser lakonisch in einen Zustand der Zeitlosigkeit: „Ein Atemzug nur / trennt dich von sternheller Nacht / vor deiner Zeugung“ (57)

Neben dieser zeitlosen Lyrik, die an keine Jahreszeit und an keinen Ort gebunden ist, führt der Autor immer auch ein „lyrisches Tagebuch“, das einerseits als „Steinbruch“ für weitere Textbauten dient und andererseits an Ort und Stelle die lyrische Zeit aus dem Alltag herausfiltern soll. „In die blaue Bucht / läßt Kot ab an der Mole / dieses Ausflugsboot“ (27) heißt es lapidar in der Sammlung „1999“.

Joachim Gunter Hammer hat in alle seine Gedichtbände Elemente dieses lyrischen Tagebuchs aufgenommen. Der anscheinende Widerspruch zwischen den Anforderungen eines aktuellen Journals und den zeitlosen Fügungen der Lyrik geben den Eintragungen schon von der ersten Textfassung an etwas von jener Spannung, die der Autor dann in weiteren Fassungen immer weiter ausarbeitet.

Der Titel dunkelrote Mischung trifft ziemlich genau jene Stimmung, die im Leser zum Klingen gebracht werden soll, – eine mit Lebens-Blut und Herbstfarben gezeichnete aufregende Melange aller denkbaren Sinneseindrücke.

Joachim Gunter Hammer Dunkelrote Mischung
Lyrikband.
Mit Grafiken von Wolfgang Filler.
Wien: Edition Doppelpunkt, 2001.
67 S.; brosch.
ISBN 3-85273-113-5.

Rezension vom 06.07.2001

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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