#Prosa

Drei Männer

Walter Grond

// Rezension von Sabine E. Dengscherz (Selzer)

Drei Männer, drei grundsätzlich verschiedene Lebensentwürfe, drei Arten zu lieben, drei Lebensphasen ein- und der selben Frau. Ismail, der Eunuch, der sich nach Freiheit sehnt, nicht zuletzt nach der Freiheit zu lieben, dann der Pariser Romancier, der noch viel später seinen Figuren „Züge jener Frau“ verleiht, „die nichts für ihn empfunden haben mochte“ und Philipp G., der nach dem Tode der Angebeteten keinen Sinn mehr in seinem Leben zu sehen vermag, sie alle haben eines gemeinsam, sie verbrachten einen Teil ihres Lebens im Dunstkreis der geheimnisvollen May Török alias Djavidan Hanum.

Walter Gronds Drei Männer, eine Novelle in drei Teilen bzw. drei Novellen im Netzwerk, enthält einige der „Markenzeichen“ des Autors, allen voran einen gewissen Orientbezug, genüssliches Zelebrieren intertextueller Strukturen und bewusstes Verwischen der Grenzen zwischen historischen Fakten und literarischer Fiktion, wie etwa auch bereits in „Almasy“, Gronds Version vom „Englischen Patienten“.

Diesmal entführt er uns aber nicht in die Wüste (jedenfalls nicht geografisch), sondern zunächst in den Palast des letzten Khediven von Ägypten, genauer gesagt in die Haremsgemächer desselben. Wir werden Zeuge eines Lebens im goldenen Käfig, das nicht nur die Frauen führen, sondern auch die Eunuchen, unter anderem Ismail, der erste der drei Männer. Auf dem Umweg über Paris und die Bekanntschaft eines Romanciers, dem Mann Nummer zwei der Novelle(n), der, obwohl verheiratet, nicht den Reizen einer ehemaligen Haremsdame widerstehen kann, auch wenn er seine diesbezügliche Leidenschaft nur literarisch auszuleben vermag, gelangen wir am Ende wieder zurück nach Österreich, zu Philipp G., dem Mann Nummer drei, der sich eine um Jahrzehnte ältere Frau zur geliebten Lebenspartnerin auserkor und sie naturgemäß überleben muss.

Bindeglied zwischen diesen drei jeweils nur momenthaft skizzierten Biografien ist, man ahnt es bereits, besagte ehemalige Haremsdame. Dajvidan Hanum, eine Europäerin, die sich in den letzten Khediven von Ägypten verliebt, ihm nach Ägypten folgt, sich den strengen Regeln des Harems unterwirft, aus eigenem Wunsch, aus Liebe. Und nur solange sie liebt. Eine starke Frau ist diese Djavidan Hanum, eine Frau, die auch in Ägypten, mitten im Harem nicht selten ihren Willen durchsetzt, zum Erstaunen aller in ihrer Umgebung. Sie bleibt auch in Ägypten selbstbewusste Europäerin. Und sie zeigt dem Eunuchen Ismail das Beispiel eines Lebens nach und jenseits der Sklaverei. Eine Frau als Symbol der Freiheit.

Nach ihrer Scheidung zurück in Europa umgibt sie die Aura des Orientalischen, eine geheimnisvolle, sexuell geladene Ausstrahlung, als würde ein Stelldichein mit ihr alle Freuden aus 1001 Nacht versprechen. May Török, wie sie sich in Europa nennt, wird zur Muse eines Romanciers, neben ihr spielt dessen Ehefrau nur mehr eine untergeordnete Rolle in seinem Schaffen. Und auch ihr europäischer Name verweist wieder zurück in den Orient: „Török“ ist das ungarische Wort für „türkisch“ bzw. „der Türke“ oder „die Türkin“.

Zurück in ihrer österreichischen Heimat findet Djavidan Hanum/May Török an ihrem Lebensabend noch einmal Liebe bis über ihren Tod hinaus. Phillipp G., der Gefährte ihrer letzten fünfundzwanzig Jahre, kann den Verlust seiner Liebsten nicht überwinden und lässt seinen Namen unter ihren in Stein meißeln. „Obwohl erst sechzig Jahre alt und gesund, glaubt sich Philipp nur mehr wenige Augenblicke von der Ewigkeit entfernt, in die ihm die geliebte Frau vorausgegangen ist.“

Die literarisch-intertextuelle Folie, vor der diese Novelle gelesen werden will, findet sich bei Musil. Nicht nur der Titel erinnert an die „Drei Frauen“, so wie bei Musil steht auch bei Grond eigentlich das Geschlecht im Mittelpunkt, das nicht im Titel steht. Es ist, als hätte Grond unter modernen Vorzeichen die „Drei Frauen“ neu geschrieben, Gleichberechtigung für das „schwache Geschlecht“, das absolut kein schwaches ist.

Erzählt wird in einfacher, wenn auch gewählter Sprache, nichts mutet kitschig an, der beinahe bombastische Inhalt wird in schlichte Form gegossen, den Schnörkeln des Orients und der Romantik wird mit Reduktion begegnet. Anders als bei Musil sind auch die drei Teile stark ineinander verwoben, Details aus früheren Lebensphasen der Djavidan Hanum bzw. May Török werden in den beiden zeitlich später angesiedelten Kapiteln nachgeliefert, auch dem Eunuchen Ismail begegnen wir noch in Europa, er hat es tatsächlich geschafft, sich auf die eigenen Beine zu stellen. Allein der Romancier bleibt ein wenig isoliert, aber das ist wohl das unausweichliche Schicksal des Literaten. Literatur entsteht im Kopf.

Und die ehemalige Haremsdame, die eigentliche Protagonistin der Drei Männer, bleibt bis zuletzt geheimnisvoll.

Walter Grond Drei Männer
Novelle.
Innsbruck, Wien: Haymon, 2004.
108 S.; geb.
ISBN 3-85218-456-8.

Rezension vom 22.09.2004

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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