Möglicherweise liegt das daran, daß es sich um die Umsetzung eines seiner „Hörstücke für Kunstradio“ („Do forgive me (Für Madonna)“, ORF 1999) in die sprödere Prosaform handelt, die den einzelnen Sätzen ihre Präsenz insofern schmälert, als sie nicht vor einer „Leinwand“ aus Stille sich ausbreiten können, sondern einer nach dem anderen schwarz auf weiß gedruckt dastehen, als Geflecht sich auch rein optisch „anschauen“ lassen und so von der Immanenz des einzelnen Elements ablenken. Möglicherweise: Diese Art von Metarezeption ist allein Sache von Textdeutung im wackeligstmöglichen Sinne.
Was wird eigentlich verhandelt? – Die Zeitspanne von einem 24. Dezember bis zu einem 1.Jänner, über die hinweg ein Dialog in repetitiver Kunstsprache geführt wird, zwischen einem Mann und einer Frau nämlich, „Lebensabschnittspartnern“ vielleicht, wie das Unwort dafür wohl heißt. Ein Westeuropa der symbolträchtigen Landschaften (die Auvergne, Antwerpen, Zypressen etc.), durch das einer (mit ungeklärter bzw. mir nicht erfindlicher) Identität gereist ist. Eine (symbolische) Reise des Paares durch dasselbe Europa. Ein ins Zimmer steigender Fluß (eine immer wieder mal eingestreute „surrealistische Tatsache“ – Zitat Wolf Wondratschek).Vor allem aber die Bitte um Vergebung nach einer stattgehabten Handgreiflichkeit.
Wenn dies nicht nach Inhaltsangabe klingt, so sei dem Rezensenten vergeben: Der Text verhält sich in seinen Schilderungen wie ein siebziger-Jahre-Experimentalfilm über die Entfremdung im Postkapitalismus (oder so). Ausschnitte ihrer Interaktion werden gezeigt, in denen die Protagonisten ganz sicher nicht ihrem Selbstbild entsprechen, Ausschnitte, die in ihrer immanenten Wucht sogar die Möglichkeit, ein solches zu deduzieren, unerreichbar machen. Man findet sich bei der Rezeption selbst des geschilderten Innenlebens allein auf den „ästhetischen Reiz“ zurückgeworfen. Und darin liegt die eingangs geschilderte Sperrigkeit: Wozwar das „reine Bild“ regiert und seine Rechte lautstark vom Leser fordert, verketten sich doch die einzelnen Bilder untereinander sehr wohl unter Wahrung zumindest rudimentär inhaltlicher Anforderungen.
Das geradezu tröstlich synthetische am Ende („I do forgive you!“) erwächst einem aus der reduzierten, monadenhaften Objektwelt: Wäre sie nicht, und wäre man nicht gezwungen, sie als präsent auch für die Protagonisten vorauszusetzen, es müßte jeglicher Logik entbehren, daß der durchaus hart geführte (soviel läßt Pessl dann doch an Handlung durchs Gewebe blitzen) Streit nicht sofort endet, indem einer der beiden einfach geht. So aber „passt“ zumindest ein Element ihres Zusammenseins, eben das Element, Inkongruenzen in der Objektwelt (vulgo „Poesie“) gemeinsam wahrzunehmen.
Do forgive me ist eine Versuchsanordnung in Kunstsprache und ein Was-wäre-wenn-mäßiger künstlich arrangierter Wahrnehmungsparameter der Protagonisten. Als solches ist das Buch – wie gesagt – naturgemäß sperrig, ebenso aber äußerst lesenswert. Daß es zu den Büchern gehört, die man sich mehrmals vornehmen muß, um zum Kern vorzudringen, verschiedene Rezeptionsstimmungen „durchprobieren“, ohne daß einem je allzu spektakulär „der Knopf aufgeht“, daß im Gegenteil in der Art, in der der Knopf am Aufgehen gehindert wird, der eigentliche Reiz liegt, das alles braucht eigentlich nicht mehr gesondert erwähnt zu werden.