#Roman

Die Wettesser

Clemens Berger

// Rezension von Sabine E. Dengscherz (Selzer)

Du bist, was du isst, heißt es im Volksmund und neuerdings auch in der Werbung. Der burgenländische Nachwuchsautor Clemens Berger zeigt zwischen den Zeilen seines jüngsten Romans Die Wettesser, dass der Stoff, aus dem der Modespruch gebacken ist, auch literarisch etwas taugen kann: ein zartes Stück Gedankenfleisch. Well done.

Unter Clemens Bergers Protagonisten ist allerdings nicht jeder so ein Feinspitz. Sie stopfen in sich hinein, was das Leben so hergibt. Hot Dogs, Nudeln und Überzeugungen. Und alles wird früher oder später verdaut oder unverdaut wieder ausgeschieden – manchmal eben auch die Weltanschauung.

Berger erzählt hier wechselweise von zwei Subkulturen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Völlerei und Fleischmassenkonsum als Sportereignis versus Tierliebe bis zum Veganertum – „Wer schafft mehr Hot Dogs in zwölf Minuten?“ versus „Keiner hat das Recht, einem anderen Lebewesen das Leben zu nehmen!“ . Kämpfe um Medaillen versus Ringen nach dem richtigen Weg im Dschungel der Ideologien. Die Extrempole der Spaßgesellschaft werden behutsam abgesteckt, aus kühler Distanz skizziert, gedreht, gewendet, umgestülpt, da will einer sehen, was hinter der Fassade übrig bleibt: das Menschliche.

„Der vierte Juli Zweitausend war ein schöner Tag in New York.“ So heißt es zu Beginn. Exakt ein Jahr liegt zwischen Anfang und Ende der Romanhandlung. Die Wettesser schoppen sich in einem Konkurrenzkampf zwischen Japan und den USA. Ed Krachie, „das Tier“, beinahe unschlagbar in seiner Disziplin, wälzt Probleme in der Frauenwelt und Kalorien in seinen Zellen, Charles Hardy, „ein unglaublich fetter Schwarzer“, kommt vor lauter Ehrgeiz fast ums Leben. Essen ist gefährlich. Nur den Japanern sieht man das nicht an. Da geht es um perfekte Technik, Sport und Disziplin.

„Der vierte Juli Zweitausendeins war ein schöner Tag in New York.“ So heißt es am Anfang vom Ende. Und das Ende kann durchaus als ein glückliches durchgehen. Viel ist geschehen in diesem einen Jahr. Nicht nur schreiben wir nun tatsächlich ein neues Jahrtausend (das bekanntlich erst am 1. 1. 2001 begonnen hat und nicht schon am 1. 1. 2000), die dazwischenliegenden zwölf Monate bedeuteten auch für die eine oder andere Hauptfigur Schubumkehr, Aha-Erlebnis, Prinzipienwandel und Start in ein neues Lebens-Zeitalter.

Der „unglaublich fette Schwarze“ Charles Hardy will künftig den Gürtel etwas enger schnallen und der Schnelllebigkeit des Rekorde Brechens seinen breiten Rücken kehren. Champions sind schnell vergessen, sagt ihm sein neu gewonnener Hausverstand, er schließt Frieden, Freundschaft und einen sportlichen Pakt mit seinem japanischen Konkurrenten und sucht den Idealismus neuerdings außerhalb des Futternapfes. Mens sana in corpore sano, oh ja.

Auch in den Reihen der Veganer beginnen die Fronten zu bröckeln, statt sich zu erhärten. Das ist unter anderem der Erkenntnis zu verdanken, dass Liebe nicht unbedingt durch den Magen geht, und dass Gaumen und Magen samt allen Prinzipien durchaus bereit sind, sich der Liebe zu ergeben. Und wenn in einem Bauch ein Baby wächst, dann stellt sich prompt das Pflichtbewusstsein ein und treibt diverse Flausen aus. Es gibt jetzt Wichtigeres im Leben.

Der Weg ist das Ziel und das Ziel auch schon wieder ein neuer Weg. Sir Carl Popper meinte einmal, es spreche nichts dagegen, Fehler zu machen. Man dürfe nur denselben Fehler nicht zweimal machen. Umgelegt auf Bergers implizite Romanphilosophie wäre das wohl in etwa: Du bist was du isst. Aber du isst ja schließlich nicht dein Leben lang dasselbe. Und das ist auch gut so.
Wir alle dürfen gescheiter werden. Nicht zuletzt davon handelt dieses Buch.

Clemens Berger Die Wettesser
Roman.
Innsbruck: Skarabaeus, 2007.
188 S.; geb.
ISBN 978-3-7082-3219-5.

Rezension vom 10.04.2007

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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