Die Geschichte, die Otto Hans Ressler erzählt, und das ist an den Geschehnissen immer das Packende, beruht auf wahren Begebenheiten, abgesehen davon, dass die handelnden Personen frei erfunden sind und der Ort der Handlung von Berlin nach Wien verlegt wurde, was der Ausgestaltung der Novelle natürlich nicht schadet.
Zum Inhalt: Ende des neunzehnten Jahrhunderts wird ein jüdischer Industrieller, Baron Salomon Schön, von einem deutschnationalen Reichsratsabgeordneten, Gerwald Holomek, beide hat es in Wien nicht nur in einfacher Ausfertigung gegeben, beschuldigt, dem Heer unbrauchbar gemachte Gewehr-Schlösser zu liefern. Ziel dieser hochverräterischen Sabotage sei es, wurde hetzerisch verbreitet, die k. u. k. Armee so zu schwächen, dass von Österreich-Ungarn aus die »jüdische Weltherrschaft« errichtet werden könne.
Der Industrielle macht das einzig Richtige, er klagt wegen Ehrenbeleidigung und Rufschädigung. Vor Gericht erweist sich bald, dass die Vorwürfe keinerlei Substanz haben. Doch der rednerisch versierte Reichsratsabgeordnete funktioniert die Gerichtsverhandlung in eine Wahlkampfveranstaltung um, in der er unter dem Jubel seiner einfältigen Anhänger ein geheimbündlerisches Komplott der Juden heraufbeschwört.
Vieles, was in diesem Gerichtsverfahren behauptet wird, hört sich – gerade in diesen Zeiten – erschreckend vertraut an. In Begriffen wie »Finanzjudentum« und »Weltjudentum« sowie Chiffren wie »Ostküste« spukt dieses – verteufelte und offensichtlich nicht ausrottbare – Gedankenwirrwarr noch immer in den Köpfen viel zu vieler Leute herum. Offenbar konnte nicht einmal der Holocaust dem Irrsinn von der »jüdischen Weltverschwörung« ein Ende bereiten.
Hans Otto Ressler gebraucht für die Illustration der damaligen Umstände bewusst Zitate, einerseits von Georg von Schönerer, dem Gründer der „Alldeutschen Bewegung“, und andererseits von lebenden Politikern. Das Deprimierende ist die unumstößliche Tatsache, dass sich das Gesagte so in den Text einfügt, dass man die zeitliche Differenz nicht sofort erkennt. Das heißt, der Antisemitismus in der Habsburger Monarchie feiert in der Republik fröhliche Urständ …
Der Autor arbeitet die Rolle der damaligen Printmedien, das heißt, der Blätter der Monarchie, anschaulich auf und heraus. Die heftigen antisemitischen Polemiken werden in der ständigen Wiederholung der „jüdischen Weltverschwörung“ nachvollziehbar.
Konstatiert werden muss, dass der Autor augenscheinlich umfassend und kenntnisreich recherchiert hat, zumal er in den Text vieles über die Ehrenbeleidigungsprozesse und politischen Auseinandersetzungen der damaligen Zeit kompetent eingewoben hat.
Das Buch mögen alle Leserinnen und Leser in die Hand nehmen, die eine literarische Preziose und fesselnde Geschichtslektüre präferieren.
Nicht unerwähnt sei das kurze, aber kundige Vorwort des bekannten Historikers Oliver Rathkolb.