Dem in der Einleitung formulierten großen Anspruch, einen „Gesamtblick auf die geschlechtsspezifische Situation der Autorinnen (…), die im Nationalsozialismus verboten, verfemt, verfolgt und vertrieben wurden“ (S. 7) zu liefern, wird der vorliegende Band jedenfalls kaum gerecht. Edda Ziegler versucht unter verschiedenen thematischen Kapiteln einzelne Autorinnen herauszugreifen; das ist ein legitimes Verfahren, doch wird ein Typisches oder Repräsentatives dabei oft nicht sichtbar. Zum Thema Exil erschien ein diesbezügliches Standardwerk im Jahr 1991 im damals sehr aktiven Centaurus Verlag: Christine Backhaus-Lautenschläger arbeitete in ihrem Buch „… Und standen ihre Frau. Das Schicksal deutschsprachiger Emgirantinnen in den USA nach 1933“ analytisch, detailreich und unaufgeregt heraus, wo geschlechtsspezifische Unterschiede in Erleben, Verlauf und Bewältigung der Exilerfahrung liegen. Dieser wie viele andere Titel zum Thema fehlt auf Edda Zieglers Literaturliste nicht von ungefähr. Bei Literatur von Frauen sind Kontinuität und damit weiterführende Bezugnahmen nicht nur in der Rezeption schwer herzustellen, da sich die einzelnen Wiederentdeckungen oft nicht lange am Markt halten und so einander verfehlen, sondern auch in der wissenschaftlichen Beschäftigung.
Wie Ziegler Exilschicksale von Autorinnen darstellt, wird weder dem Wissensstand der Exilforschung noch der feministischen Forschung gerecht. Wenn Annette Kolb direkte Stellungnahmen im Exil vermeidet und eine Mitarbeit an Klaus Manns „Sammlung“ verweigert, dann ist darin nichts Frauentypisches zu sehen, sondern eine (verständliche) Haltung, die sie etwa mit Ödön von Horvath teilt; wenn sie sich im Exilland nur „dankbar und unglücklich“ fühlt, dann hat das mit dem Exilort und ganz wesentlich mit ihrem hohen Alter (geboren 1870) zu tun, das einen radikalen Neubeginn, wie ihn das Exilleben einforderte, erheblich erschwert; das teilt sie etwa mit Alfred Polgar u. v. a., genauso wie die Tatsache, dass ihre Art zu schreiben am amerikanischen Markt keine Chancen hatte. Das in groben Linien nachgezeichnete Exilschicksal Annette Kolbs macht in der hier dargestellten Art allenfalls prinzipielle, aber eben geschlechtsunabhängige Probleme von AutorInnen sichtbar. Vor allem aber macht Edda Zieglers Darstellung in keinem Moment Lust, eines der Werke Annette Kolbs vielleicht wieder zu lesen, und das gilt auch für die anderen, unter verschiedenen thematischen Aspekten in den Mittelpunkt gerückten Autorinnen wie z. B. Vicki Baum, Mascha Kaleko, Else Lasker-Schüler, Marieluise Fleißer, Gina Kaus, Anna Seghers, Irmgard Keun oder Nelly Sachs.
Nicht überzeugend und mitunter ärgerlich sind die allgemeinen Ausführungen, die den Autorinnenporträts zwischengeschaltet sind. Unter der Überschrift „Pionierinnen weiblichen Schrifttums“ ist zu lesen: „Unberührt von den Niederungen solcher Massenproduktion [gemeint ist Hedwig Courths-Mahler] schrieben und publizierten – schon seit der Jahrhundertwende – einige wenige etablierte Autorinnen, die die Literaturgeschichte als ‚Pionierinnen weiblichen Schrifftums‘ führt. Die renommiertesten unter ihnen sind Annette Kolb und Isolde Kurz. […] Zu den damals namhaften Autorinnen gehörten außerdem Enrica von Handel-Mazetti, Ina Seidel, Elisabeth Langgässer und Rahel Sanzara. Die Bücher von Handel-Mazetti und Ina Seidel wurden – mit Zustimmung oder zumindest stiller Duldung der Autorinnen – von der NS-Propaganda weiter gefördert, die von Langgässer und Sanzara dagegen verboten.“ (S. 43) Abgesehen davon, dass man sich fragen könnte, in welchen „Literaturgeschichten“ Edda Ziegler nach ihren „Pionierinnen weiblichen Schrifftums“ gefahndet hat, ist unklar, was der Erkenntniswert solcher Zusammenstellungen völlig gegensätzlicher Autorinnen sein könnte. Wer so pauschale Urteile über eine literarische Epoche abgibt, müsste sich diese in jedem Fall genauer ansehen. Eine Bestsellerautorin der Zeit wie Joe Lederer ist heute zweifellos vergessen, aber genau darin läge die Aufgabe und der Sinn eines Buches wie dem vorliegenden, diese verschütteten Traditionslinien auszugraben. Edda Ziegler spricht von insgesamt 237 Autorinnen, die der Verfolgung ausgesetzt waren, davon waren ihrer Meinung nach „27 von literarischem Rang und Erfolg“, dazu zählt sie u. a. Hertha Pauli und Alice Rühle-Gerstel (S. 17). Letztere war Kulturpublizistin und Journalistin, ihr einziger Roman entstand im Exil und erschien posthum 1984; auch Hertha Pauli, Jahrgang 1909 und eigentlich Schauspielerin von Beruf, hatte vor ihrer Flucht keine Möglichkeit, sich als junge Autorin zu etablieren, ihre beiden 1936 bzw. 1937 in österreichischen Verlagen erschienenen Romane konnten in NS-Deutschland nicht mehr vertrieben werden; einen Prominentenbonus, der etablierteren AutorInnen mitunter hilfreich sein konnte, hatte sie jedenfalls nicht vorzuweisen.
Unter der Überschrift „Neue Frau und neue Sachlichkeit“ unterstellt Edda Ziegler kurz darauf, dass die „literarische Handlung“ in den Büchern von Frauen „durchwegs so konstelliert“ werde, „dass allein die materielle Not die Frauen dazu bringt, berufstätig zu werden und nicht der eigene Wusnch nach Selbständigkeit und materieller Unabhängigkeit“. (S. 48) Ziegler hat also Irmgard Keun gelesen, Gabriele Tergit und einiges von Vicki Baum (anderes nicht), aber nicht Mechtilde Lichnowsky, Mela Hartwig oder Annemarie Selinko. Natürlich kann niemand alle Bücher von Autorinnen der 1920er Jahre kennen, aber deshalb sind Pauschalurteile wie „Es dominiert die Schwarz-Weiß-Zeichnung; es gibt wenig Zwischentöne und Ambivalenzen. Die meisten Autorinnen schreiben immer noch in bewährter Manier, obwohl ihre Erzählmuster längst zum Klischee aus dem Geist des Fortsetzungsromane geronnen sind“ nicht aussagekräftig und eigentlich auch unzulässig. Befremdlich sind auch Zieglers Einschätzungen der Exilsituation allgemein, wie z. B.: „Die Schweizer zeigten den Emigranten gegenüber ungewöhnlich große Solidarität und Hilfsbereitschaft, die auf Dauer nicht nachließ, sondern sogar noch anstieg.“ (S. 71) Oder einfach sprachliche Unsensibilitäten wie „Die Niederlande wurden zur beliebten Zwischenstation“ (S. 89), als handelte es sich bei Exilwegen um trendige Urlaubsrouten. Der Themenstrang ‚Brecht und die Frauen‘, auf den Edda Ziegler (Hiltrud Häntzschels Untersuchung referierend) immer wieder zurückkommt, arbeitet mit ständig wiederholten Worthülsen wie „Troß“ oder „weibliche Entourage“ und psychologisierenden Klischees. Dass Ruth Berlau sich nicht als Mitarbeiterin Bert Brechts verstand, so Ziegler, liege „wohl weniger in einer Bescheidenheit, die ihrem Wesen eher fern lag, sondern in ihrem Wunsch nach immerwährender symbiotischer Vereinigung mit dem Geliebten, auch im literarischen Produkt“ (S. 131). Oder: „Steffin war literarisch fixiert auf die eigene Minderwertigkeit und die ästhetische Abhängigkeit von Brecht.“ (S. 127)
Während der Lebensbruch durch das Exil, im vorliegenden Buch aufgezeigt am Beispiel Mascha Kaleko, eben keineswegs eine genderbestimmte Frage ist, genauso wenig wie Sprachschwierigkeiten, Publikationsmisere und Berufsverlust, verfehlt die Darstellung genau dort, wo es tatsächlich frauenpezifische Momente zu zeigen gäbe, diesen Aspekt weitgehend. Im Kapitel „Sicher aber abweisend – Exilland England“ behandelt Ziegler die Autorinnen Hilde Spiel, Hermynia Zur Mühlen und Veza Canetti, ohne auf die Tatsache einzugehen, dass ein potentielles Eintrittsbillet für Frauen die Verpflichtung als Hausgehilfin darstellte, was Joe Lederer für lange Jahre dienend an jene Häuser fesselte, in denen Hilde Spiel als Gast verkehrte.
Bücher wie Edda Zieglers „Dichterinnen im Exil“, die sich nur mit dem – Käuferinteressen lenkenden – Titeletikett in die Frauennische stellen, so ist zu befürchten, fügen dem Image feministischer Forschungsarbeit einen bleibenden Schaden zu. Falls das Buch als populäre Darstellung gemeint war, die sich nicht an ein Fachpublikum wendet – dem widersprechen allerdings der unübersichtliche Aufbau und die vielen namedropping-Listen – sind die unhaltbaren Pauschalurteile und vergröbernden bis nichtssagenden Klischees ein noch größerer Schaden. Wie dieses Buch den wissenschaftlichen Beirat passieren konnte, über den der angesehene Artemis & Winkler Verlag – zumindest bislang – verfügte, ist schwer zu erklären.