Etwas problematischer sind die beiden „Zentralkapitel“ zu Arthur Schnitzlers Novelle von 1923 und Hugo von Hofmannsthals Tragödie aus dem Jahr 1903. In einem fünfseitigen abschließenden Blick auf „Else und Elektra“ fasst die Autorin ihre Thesen zusammen. Schnitzler beschreibe die Genese der Hysterie und ihre gesellschaftlichen Bedingungen, Hofmannsthal den Anfall mit dem Blick der Gesellschaft auf die Hysterikerin. Beiden Frauenfiguren gemeinsam sei, dass die vorgegebenen weiblichen Rollenbilder für sie ebenso problematisch geworden sind wie die Beziehung zum Vater, dessen Begehren sie zugleich stützen und zurückweisen; „es ‚inzestelt'“ (S. 241), so Kronberger. Einen väterlichen Missbrauch sieht die Autorin allenfalls als latent gegeben und nicht weiter diskutierenswert.
Das ist vor allem für „Fräulein Else“ schade, insofern die Schnitzler-Forschung beschämenderweise bis ins Jahr 1998 gebraucht hat, um diese Frage erstmals an den Text selbst zu stellen. In diesem Jahr erschien ein Aufsatz von Astrid Lange-Kirchheim, der erstmals schlüssig nachwies, dass die Frage latenten oder realen Missbrauchs Elses durch den Vater zumindest keinesweg so eindeutig zu klären ist, wie bis dato fraglos angenommen. Dass Kronberger diese und andere entscheidende Arbeiten der Sekundärliteratur – gerade auch literaturwissenschaftliche Relektüren aus feministischer Sicht – nicht gelesen hat, ist auch dem unter germanistischer Fragestellung eher spärlichen Literaturverzeichnis zu entnehmen. Einiges daran ist verwunderlich, etwa wenn mehrere Arbeiten Elisabeth Bronfens erwähnt und im Text auch ausführlich referiert werden, die konkrete Untersuchung Bronfens zu Schnitzlers Novelle aber offenbar nicht wahrgenommen wurde. (Armin-Thomas Bühlers Arbeit von 1995 wird im Text zwar zwei Mal erwähnt, im Literaturverzeichnis aber nicht angeführt.)
In einer persönlichen Vorbemerkung berichtet die Autorin, dass die während der Arbeit an dem vorliegenden Buch in Anspruch genommene Supervision ihre persönliche Beziehung zu ihrer Mutter verändert habe. Das könnte als Hinweis verstanden werden, dass die Intention der Autorin stärker in Richtung eines (therapeutisch verstandenen) Angebots zu Frauen-Selbstverständigung und Rollendebatte geht. Zweifellos eine ebenso legitime Wirkungsintention wie ein literaturwissenschaftlicher Diskussionsbeitrag.