Belassen wir es bei dieser kurzen und oberflächlichen Lesung des Anfangs eines der Gedichte in Hansjörg Zauners neuem Band die tafel schreibt, der dann also lautet: „auch schafsziegenmilch lockert / zwischen fleischlosbergen blütenkäse / so werden alle mauern aufgefaltet / exotisches duftöl gut ausgezwickt bereift / so krakelt kühlschrank geschirrtuchsauna / verliebtes sackerl tröstet glimmraupenei / […]“ – plötzlich drängt sich beim Wiederlesen flüchtig das Bild einer Zahnlücke auf, das Glimmraupenei erinnert vielleicht an eine Zigarette, rund und weiß und glühend, aber alles bleibt – und gerade aufgrund strengster Struktur – stets offen, und wir beginnen unsere Lesung wieder von vorne.
Denn schon das „auch“ des Anfangs lässt das Gedicht doch potenziell uferlos wirken. Und nicht von ungefähr endet es daher wohl auch auf „wollig hart ist säge flüssig papierhautschrei“: Das Wollig-Flüssige der Schafziegenmilch vom Beginn darf am Ende – ein Netz – wieder eingeholt werden, in der „säge“, diesem mit Zähnen Lücken reißenden, weißen Sagen. Was am Anfang so uferlos wirkt, ist es am Ende also genau deswegen, weil es potenziell eine Schleife, eine in sich geschlossene Luftmasche bildet.
„Da ein Gedicht alles bedeutet, besagen die Gesetze, denen es folgt, nicht, was es bedeuten und was es nicht bedeuten kann, sondern, auf welche Weise Gedichte alles sind oder bedeuten, und deshalb auch, auf welche Weise ein bestimmtes Gedicht alles ist und bedeutet.“ – Soweit Franz Josef Czernin in seinem Essay zu Zauners Titel gebendem Gedicht, den Zauner wiederum als Anregung für rund 1.400 andere Gedichte genommen hat. Von diesen sind nun letztlich 91 in den vorliegenden Band aufgenommen, der definitiv für besondere Lesende geschrieben ist, für nach Lesefrüchten Klaubende: Lesende, die fähig sind, Silbe um Silbe zusammenzurech(n)en, um sich selbst mit einer unendlichen Anzahl von Bezügen zu belohnen.