#Prosa

Die sog. Unsterblichkeit

Peter Rosei

// Rezension von Anne M. Zauner

Peter Rosei hat mittlerweile ein beachtliches Werk vorzuweisen, er blickt auf über dreißig Bücher zurück. Bei Sonderzahl ist nun ein neues dazu gekommen, Die sog. Unsterblichkeit, ein schmaler Sammelband mit kleinen Schriften: Skizzen, Porträts, Essays. Rosei, der gern der Nomade der österreichischen Literatur genannt wird, ist für seine Kunst der Landschaftsbeschreibung berühmt. In der „sog. Unsterblichkeit“ rückt diese jedoch ein wenig in den Hintergrund. Erinnern ist ihm dafür zum Thema geworden, Vergänglichkeit, Abschiede.

So tupft er mit stilsicherer, leichter Hand Kindheitserinnerungen auf Papier, tollt etwa in den „Flussufern von früher“ mit seinem Bruder durch einen Sommer im niederösterreichischen Haslach, Zukunft im Auge, oder erinnert sich an den im Jahr 2000 verstorbenen H. C. Artmann, seinen langjährigen literarischen Weggefährten und Freund. Gemeinsam brausten die beiden – und hier rücken die Landschaften nun doch wieder ins Bild – auf ihren Motorrädern unter fröhlicher Missachtung aller Verkehrsregeln dahin. Auch mit Helmut Eisendle verband den Autor eine intensive, über drei Jahrzehnte dauernde, wenn auch nicht immer konfliktfreie Freundschaft. „Unsere Eskapaden waren Legion“, schreibt Rosei, „und wenn wir einander beeinflußt haben, so bestimmt auch in dem Sinn, den Mütter gern als ’schlecht‘ bezeichnen.“

Sehr berührend ist auch der Eingangstext des Bandes: das Pastell eines alternden Autors, der auf dem Boden liegt, lang ausgestreckt, und ins Plaudern über die Unsterblichkeit gerät: Peter Handkes „Zurüstung zur Unsterblichkeit“ spukt ihm dabei durch den Kopf, es folgt ein abrupter Schwenk auf David Bowie, dann schweifen die Gedanken über Mariendarstellungen zu den Totenmasken Arnulf Rainers, verweilen bei Picasso, bis ein Engel ins Bild schwebt, kreisen dann einige Augenblicke über dem Sterbebett von John Keats und verlieren sich in einer Anekdote über aashungrige Geier und den Dichter Lautréamont. Irgendwo aus dem Hintergrund winkt Falco mit einem Sampler, der „Final Curtain“ heißt. „Wird es schön sein, zu sterben?“, fragt Rosei zum Schluss und gibt sich selbst auch gleich die Antwort. „Ja.“

Ein weiteres Herzstück des Bandes sind die Aufsätze über Kafka, Stifter und vor allem Wittgenstein. Peter Rosei wechselt dabei gekonnt die Spur zwischen Werkanalyse und persönlichem Zugang. So war Franz Kafka für ihn in jungen Jahren, wie übrigens für viele seiner Generation, ein überlebensgroßer Maßstab, von dem es sich – bei Rosei durchaus im Guten – zu emanzipieren galt. In seinem Aufsatz über Adalbert Stifter – der mittlerweile weitgehend frei vom Klischee des kitschigen Heimatdichters ist – findet Rosei stilistisch Parallelen zu seinem eigenen Schreiben, aber auch dem anderer zeitgenössischer Autoren wie Peter Handke, Thomas Bernhard oder Gert Jonke. Ludwig Wittgenstein wiederum fordert seinen Intellekt heraus. Sprache und Logik gehören zum unverzichtbaren Rüstzeug des Philosophen, aber auch eines Autors und Rosei findet dafür ein wunderbares Gleichnis: „Ein Mann steht am Rand eines dunklen Gewässers; und in dem Gewässer schwimmen drei hölzerne Würfel: Der erste Würfel ist die Welt, der zweite das Denken, der dritte die Sprache. Die Würfel liegen aber nicht ruhig; sie schaukeln und treiben, infolge einer dem Mann unerklärlichen Turbulenz, auseinander. Der Mann hat bloß eine lange Gerte zur Hand, mit deren Hilfe er versucht, die Würfel beisammenzuhalten.“ Auch Peter Rosei kann man sich gut mit dieser Gerte in der Hand vorstellen.

So manches gibt es noch in der „sog. Unsterblickeit“ zu entdecken – eine Skizze über Essen in Japan oder eine Textpassage über ein ausgelassenes, zweitägiges Saufgelage im guatemaltekischen Hochland, usf. „Es ist eine gute Möglichkeit, mich auf kleiner Fläche kennen zu lernen“, erklärt Peter Rosei und dem ist nichts hinzuzufügen.

Peter Rosei Die sog. Unsterblichkeit
Kleine Schriften.
Wien: Sonderzahl, 2006.
140 S.; brosch.
ISBN 3-85449-247-2.

Rezension vom 26.02.2007

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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