Ein wenig überrascht landet sie dann in seinem Bett, was aber nichts gegen die Überraschung ist, als sie, kaum wieder im eigenen zurück, von der Polizei geweckt wird – ihr Beischläfer ist tot aufgefunden worden, erstochen. Aus der Traum vom festen Einkommen; zu allem Überfluss gehört sie auch noch zu den Verdächtigen. Sogar ihre Mitbewohnerin, die zurückhaltende Britta, bekommt jetzt Angstattacken in ihrer Nähe, der beste Freund meldet sich nicht mehr bei ihr. Kein Wunder, dass sie nun beginnt selbst zu ermitteln; und in dem abgewrackten ehemaligen Schauspieler und jetzigen Privatdetektiv Dino findet sie einen zwar widerwilligen und ständig betrunkenen, aber zuverlässigen Partner.
Nora Miedlers Erstling, das Psycho-Kammerspiel „Warten auf Poirot“, war ein Überraschungserfolg; das war sowohl der originellen Erzählerin als auch dem Spiel mit dem Genre geschuldet: Eine geistig labile Verliererin erzählt da von einer Frauenclique, die am klassischen Schauplatz (einer verschneiten Berghütte) ihre dunklen Geheimnisse aufdeckt. In „Die Musenfalle“ behält Miedler ihre Vorliebe für Erzählerinnen mit Ecken und Kanten bei, genremäßig greift sie nun aber in eine andere, nämlich in die benachbarte Chandler- und Hammett-Kiste: Unfreiwillige Detektive kämpfen da um ihr Leben, überall dunkle Verwandtschafts- und sonstige Verhältnisse, Täter, die zu Opfern werden, sektenartige Umtriebe, verschwundene Frauen, ermordete Würdenträger und ein Ende, an dem alles noch viel schlimmer ist als erwartet. Bis dahin hat sich Heldin Lilly mit den Bösen sowie mit der Polizei angelegt, sich in ein Frauenhaus eingeschlichen und unter die Jüngerschaft des ominösen Schauspielgurus Frieda Bernhard gemogelt, sie ist verprügelt und mit dem Tod bedroht worden.
Dabei macht sie (ganz dem Verlagsprofil von Ariadne folgend) genüsslich Kleinholz aus allen Brave-Mädchen-Klischees: Sie ist impulsiv und unsensibel, laut, aggressiv und promisk, gleichzeitig empfindlich und nahe am Wasser gebaut; ein (bis auf die eine oder andere Phrase) wunderbar gelungenes Großmaul. Auch wenn man das wollte: Die weiblichen und männlichen Attribute kann man hier nicht mehr auseinanderklauben, was eine angenehm alltagstaugliche Heldin schafft.
Und dass sie (genauso wie übrigens ihre Schöpferin) von der Bühne kommt, macht dieses Buch auch zum Theaterroman, der sein Thema in die verschiedensten Richtungen ausleuchtet: Theater beispielsweise als moralisch nicht ganz einwandfreie Lüge, wenn sich Lilly unter die geschlagenen Existenzen des Frauenhauses mischt; oder als Kampf hehrer Ideale gegen die banale Wirklichkeit, wenn man bemerken muss, dass man mit künstlerischem Anspruch eben keine Rechnungen bezahlen kann.
Was den nötigen Drive angeht, kann man Miedler nichts vormachen, aus der Hand legen wird man das Buch kaum. Ausgiebig bedient sie das Hardboiled-Genre und zieht dabei alle Register – allerdings quietscht das eine oder andere dabei ein wenig: So geht die Rasanz manchmal auf Kosten der Charakterzeichnung, wo andere Figuren neben der mit kräftigem Strich gezeichneten Heldin etwas verblassen; sie scheinen eher erzählnotwendig als anschaulich. Dass Dino zum Beispiel Privatdetektiv geworden ist, hat wohl einfach gut zur Schnapsfahne gepasst, ein bisschen zu unmotiviert sitzt er in seinem Büro herum. Dafür hat Lilly in ihm den idealen Partner für den obligaten charmanten (naja, nicht immer charmanten) Schlagabtausch. Ob das Traumpaar am Ende zusammenfindet, wird hier aber nicht verraten.
Der Schluss, der große Showdown, ist zwar ebenfalls nicht ganz rund, dafür aber umso wilder – Stieg-Larsson-wild geradezu. Und statt einer lupenreinen Auflösung bleibt da ein schöner Widerhaken im Kopf des Lesers. Nora Miedler ist ein Krimi mit der genau richtigen Haltung, der genau richtigen Geschwindigkeit gelungen – ein schöner Schmöker.