Dass Vogel in seiner Heimat zwar immer lobende Erwähnungen und – in der Regel kurze – Besprechungen seiner Bücher erhielt, aber doch nie jene Wahrnehmung, die ihm wohl gebührt hätte, hat auch mit seiner Selbstverortung zu tun. Er lebte seit 1976 in Pulkau im Weinviertel und war jahrzehntelang Leiter und Organisator kultureller und literarischer Initiativen wie des Literaturkreises Podium im Schloß Neulengbach, den er 1971 gemeinsam mit Wilhelm Szabo begründet hat. Wer sich so dezidiert an den Rändern positioniert, wird von der Geschäftigkeit des Betriebs leicht übersehen. Zumal in den 1960er und 1970er Jahren, als es galt, den kulturpolitischen Mief der 1950er Jahre über Bord zu werfen und endlich den Anschluss an die Moderne und den Zeitgeist wirklich zu finden, die nach 1945 in der Restauration der 1950er Jahre so rasch wieder aus den Augen verloren worden waren. Moderne und Zeitgeist, das heißt Metropole und nicht Provinz, Zentrum und nicht Perpherie; Reflexionen über die Relativität dieser Begriffe werden in der Regel erst im Rückblick möglich.
Mit einer Analyse der Zeitungs- und Zeitschriftenberichte – die Autorin hat sehr sorgfältig die Materialiensammlung der Dokumentationsstelle im Literaturhaus ausgewertet – zeichnet Ewa Mikulska-Frindo ein Bild der Rezeption von Alois Vogels Werken, auch der Rezeptionsdefizite und -klischees. Vom Entstehungszusammenhang Dissertation her arbeitet sie sich auch ab an einer Einordnung der beiden großen Romane Vogels in den Kontext des Begriffs „historischer Roman“, wobei sie dann zu recht für den treffenderen Begriff „Zeitgeschichtsroman“ votiert. In ihrer Korrespondez mit Alois Vogel, die in die Darstellung eingearbeitet und im Anhang auch als Dokumentarteil abgedruckt ist, merkt man die Verstörung Alois Vogels über das Insistieren seiner Biografin auf dem Begriff des historischen Romans.
Der zweite Teil der Untersuchung ist dann konkret den beiden Romanen „Schlagschatten“ und „Totale Verdunkelung“ gewidmet. Nach einem Überblick über den österreichischen Umgang mit der so genannten Vergangenheitsbewältigung bis hin zur Causa Waldheim interpretiert die Autorin die lange Verlagsodyssee des Manuskripts „Schlagschatten“ primär als politische Ablehnung des Romans. Doch das hat vielleicht doch weniger mit der Art zu tun, wie Alois Vogel die Ereignisse des Jahres 1934 abhandelt – ohne Helden, auch ohne solche auf Seiten der Arbeiterbewegung -, denn mit dem Thema an und für sich, das in Österreich noch heute viel stärker mit einem Tabu belegt ist als die Zeit des Nationalsozialismus.
Die Analyse der beiden Romane erfolgt dann u. a. mit einer Charakteristik der zentralen Figuren, der Darstellung der Handlungsorte, die stets konkret beschrieben werden, der Handlungszeit, die primär über Signale und Hinweise erschließbar wird, und einem kurzen Überblick über eine Reihe von Symbolen, die beide Romane durchziehen und überwiegend der Natur entstammen. Die Darstellungen sind einlässig, auch wenn man mitunter Einsprüche erheben könnte, etwa im Fall der weiblichen Hauptfigur von „Schlagschatten“: Verglichen mit den beiden männlichen Protagonisten ist Leni umfangmäßig tatsächlich das kürzere Kapitel gewidmet, aber Alois Vogel schreibt in ihre Sicht der Dinge einen erstaunlich sensiblen Kommentar zum Verhältnis der Geschlechter hinein. Sorgfältig ist auch die Verrechnung, die Mikulska-Frindo mit den historischen Fakten der politischen Ereignisse 1934 bis 1945 vornimmt. Auch wenn Vogel seinem Konezpt entsprechend weitgehend auf den Auftritt historischer Akteure verzichtet, entspricht seine Darstellung der Ereignisse sehr genau den historischen Fakten, wie sie von der Zeitgeschichteforschung rekonstruiert wurden. Dass die Juli-Putschisten, die die RAVAG stürmten, Zivil trugen und nicht, wie in Vogels Roman, Uniform, ist ein ebenso lässlicher Irrtum wie jener der Autorin, Jura Soyfers Romanfragment hartnäckig als „So starb die Partei“ zu bezeichnen.
Die Einbettung von Vogels Romanen in die konkreten geschichtlichen und auch literaturgeschichtlichen Zusammenhänge machen Ewa Mikulska-Frindos Arbeit zu einer Art Einführung in ein zentrales Kapitel österreichischer Zeitgeschichte und ihrer literarischen Verarbeitung. Für eine weitere Beschäftigung mit den beiden großen Romanen Alois Vogels wäre vielleicht die Fragestellung nach den politischen Implikationen der Romanhandlungen selbst ein lohnender Ansatzpunkt.