#Roman
#Debüt

Die letzte Partie

Regine Koth Afzelius

// Rezension von Erika Kronabitter

Mit Adams Schachzug „Na?“ eröffnet Regine Koth Afzelius die Beziehungspartie und breitet in ihrem Debütroman einen Turteltanz aus, der das Auf und Ab einer Partnersuche, ein fast obszönes, lustvolles Spiel des Gedankenentblätterns vorführt. Ein fulminanter Start sozusagen, so wie jede erotische Liebe fulminant beginnt, eine „Sie“, von der Autorin Eva genannt mit einer – wie sich später herauskristallisiert – großen Frage : Wie gelingt eine Liebesbeziehung? Wie gelingt eine gelungene Liebesbeziehung? Mit „Na?“ ist also eine rasante Partie zwischen einem klugen Adam und der klugen Eva eröffnet, die Figuren treffen aufeinander („Sie saß zufällig neben ihm“), stehen für gewisse Zeit auf den Feldern, sogar nebeneinander („Zwei Wochen später war Adam die Techtelmechtel los, die er rundum gepflegt hatte. Einen Monat später probten sie Paarlauf“), um dann wieder weiter zu ziehen.

Von der ersten Seite an ist der Text erotisch aufgeladen, Begriffe und Bezeichnungen werden von der Autorin mit einem listigen Augenzwinkern eingesetzt. Es ist von seinem „Drang“ die Rede, sie blickt „mit mildem Lächeln auf sein Sushi“, und wir beobachten mit ihr Adams Sushi, „das sich zwischen den Stäbchen aufrichtete. Im nächsten Moment fiel es auf den Teller zurück“, es ist von einem schlappen Spargel die Rede, „auf einem Reisbett festgezurrt“.
Der Mann neben ihr findet es „Vorzüglich, Ihre Bekanntschaft wenigstens jetzt zu machen […] und stellte feierlich einen Fuß in ihren Abend, wickelte ein Gespräch um sie.“ Ein schlauer Fuchs, den uns die Autorin hier vorführt, der weiß, wie er die Henne in seinen Stall bekommt, zu ihr in den Stall gelangt.
Der gewiefte Leser ahnt bereits: Der heiße Flirt, anfänglich wohl auch nur als solcher gedacht, führt bei Eva in eine Beziehungssehnsucht, ja regelrecht in eine Beziehungsabhängigkeit. Eva, welche zu Beginn scheinbar alles im Griff hatte, von diesem „Feinschmecker des Werbens“ und den erotischen Facetten der verschiedenen Adam-Treffen fasziniert, hat das Spiel nicht ganz begriffen bzw. hat sich emotional zu sehr auf dieses eingelassen. Adam wird auch von ihr weg weiter ziehen, spielt gekonnt das Königsspiel – und noch manch anderes.
So ist Evas „Overview“ nur von kurzer Dauer, trotz oder vielleicht gerade wegen der erotischen Eskapaden und dem Schwur, das Schlafzimmer nicht zum Tatort zu machen. Zunehmende Nähe mindere das Gefühl und seinen Drang nach einer Frau. Sagt Adam. Eva hört nicht oder überhört. Die Oxytocinausschüttung fordert ihren Zoll. Sie, die den Überblick behalten wollte, rutscht in das seit Ewigkeiten tradierte Schema, sehnt sich nach einer langfristigen Partnerschaft, mutiert zum sich nach einer fixen Bindung sehnenden Weibchen. Mehr noch: Eva wird zur Klette, kann und will nicht mehr ohne Adam. Denken, Sinn und Sehnen sind nur noch auf ihn gerichtet.

Nach der Trennung – wie konnte Eva, die aufgeklärte und erfahrene Frau der Gegenwart, nur annehmen, ein Schwerenöter wie Adam würde den vielfältigen Verlockungen eines freien Jägerlebens entsagen? – lässt sich Eva einen Ersatz-Lover vorstellen. Judith hatte das Treffen arrangiert. Der nächste Mann nach der gescheiterten Beziehung, das wissen wir aus der Psychologie, hat schlechte Karten und ist oft nur Lückenbüßer. Schon allein aus diesem Grund kann sich zwischen Eva und dem „neuen Mann“ nichts Längerfristiges entwickeln, obwohl sich Eva mantra-ähnlich selbst beeinflussen will: „Her mit der Ablenkung. Raus mit Adam aus dem Körper, aus den Gedanken, aus dem System.“ Die Episode mit dem „neuen Mann“ ist kurz und schmerzlos, garniert wird diese mit Abenteuern, Verliebungen und Rückliebungen im FreundInnenkreis.
Was bleibt übrig, als nach so vielen realen Überraschungen in die erotische Welt des Internets zu flüchten und es auf der Kontaktbörsen-Plattform zu versuchen? Der Wechsel von Live- zu Internetflirts beschert Eva ein illustres Ei im Überraschungskörbchen – die LeserInnen ahnen es bereits: Adam liegt im Kontakte-Nest. Ein weiteres Mal will sich Eva nicht unterkriegen lassen: Sie erfindet sich eine Mission, die lautet, Don-Juan-Adam schachmatt zu setzen.

Die letzte Partie ist im Hier und Jetzt angesiedelt und kann als Satire auf Liebesversuche gelesen werden. Regine Koth Afzelius gelingt es, das wirkliche, wahre Leben, sprich die Such-, Findungs- und Trennungsbewegungen ihrer ProtagonistInnen und die damit verbundenen Gefühlsschwankungen mit einem offensichtlichen Augenzwinkern vorzuführen. Die Charaktere der einzelnen Figuren sind gut gezeichnet, die Beschreibung des Umfelds und der Vorlieben ermöglicht es, mitten in die Geschichte einzutauchen. Auch wenn man sich für manche Passagen mehr Verdichtung wünschen würde (z.B. bei den Detailbeschreibungen der Pannendienst-Szene), und es solche gibt, die wiederum mehr Dialog und Handlung vertragen könnten (auf welche Art und Weise „manipulierte“ Adam?), ist es eine vergnügliche Liebes- und Lebens-Schau, der wir – während unser eigener Film abläuft – beiwohnen. Nicht zuletzt erzählt Regine Koth Afzelius die Geschichte zahlreicher partnersuchender Frauen. Indem die Leserschaft teilnehmen darf am Denken Evas, eröffnen sich (speziell für den interessierten Mann) zahlreiche Erkenntnismomente zum Innenleben einer Frau.
Ein sprachlich und inhaltlich vergnügliches Buch von der ersten bis zur letzten Zeile!

Regine Koth Afzelius Die letzte Partie
Roman.
Salzburg: Müry Salzmann, 2016.
208 S.; geb.
ISBN 978-3-99014-131-1.

Rezension vom 12.09.2016

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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