#Roman

Die Kuratorin

Norbert Maria Kröll

// Rezension von Erkan Osmanovic

Don’t be evil

„Nach mir die Sintflut“. So könnte das Lebensmotto von Regina lauten. Sie ist Kuratorin und ist bald Museumsdirektorin – zumindest, wenn es nach ihr geht. Für sie zählt nur eines: die Karriere. Die meisten Menschen sieht sie als Hindernisse, die man bei Seite schiebt oder ignoriert. Ihre Ausstellung money sells ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg nach oben. Doch dann stolpert Regina – über ein Baby. Schwanger? Sie? Ein Kind in ihrem Leben? Da ist kein Platz. Für niemanden. Oder doch?

Steinbruch – Reginas Nachname beschreibt ihr Leben ganz gut. Was stört, wird gebrochen oder in die Luft gesprengt. Das schafft die Kunsthistorikerin ganz ohne Sprengstoff. Dabei spielt es keine Rolle, wer oder was das Hindernis ist: Seien es ihre männlichen Kollegen, die Frau Ihrer besten Freundin Sue oder deren Hauskatze Mieze. Vielleicht kann sich Regina einfach keine Skrupel leisten? In Villach aufgewachsen, zwischen Natur und Stadt, inmitten von Langeweile: „Keine Bücher in meinem Elternhaus, keine Musik, keine Gemälde […]; keine Diskussionen, die den Intellekt geschärft hätten“. Sie musste ihre Gedanken, aber auch ihr Verhalten für die Welt da draußen abhärten. Nur in Kontakt mit ihrem geistig schwer behinderten Bruder zeigt sie eine weiche Seite.

Do the right thing

Regina flucht, schlägt und arbeitet: Sie ist eine Frau der Tat. Norbert Maria Kröll zeichnet in Die Kuratorin das Leben einer wütenden Frau. Die in ihrer Wut auch Grenzen überschreitet. So übernachtet sie etwa eines Nachts bei Sue und deren Frau Jen. Als deren Katze, die von Alter und Krankheit gezeichnet ist, ihren Schlaf stört, tötet sie diese kurzerhand. Reue? Fehlanzeige.
Dass Regina trotz dieser und anderer Taten und Gedanken nicht als Scheusal wahrgenommen wird, ist Krölls Schreiben zu verdanken. Durch seine geschickte Komposition schimmert Reginas Motivation im Laufe des Romans immer mehr durch: Ohne die Wut wäre Regina nicht dort, wo sie ist – sie wäre untergegangen. Sie tut, was sie tun muss.
Die Sprache, in der Kröll Reginas Geschichte erzählt, ist direkt und schnörkellos, wie sie. Das Wechselspiel zwischen innerem Monolog, Dialogen und indirekter Rede gibt dem Roman Tempo: Es ist dauernd etwas los. Die enge Taktung an Kapiteln tut ihr Übriges dazu, die Spannung hoch zu halten: Wird Reginas Performance ein Erfolg? Passt ein eigenes Kind in ihr Leben? Sind Karriere und Erfolg alles?
In seinem dritten Roman seziert Norbert Maria Kröll nicht nur den Kunst- und Kulturbetrieb, sondern stellt ihn auch in Frage: Was kann und soll Kunst? Wieviel Realität verträgt das Künstliche? Gleichzeitig erzählt er die Geschichte einer Frau, die zwischen Fremd- und Eigenbild oszilliert – und gesellschaftliche Rollenbeschreibungen zerschlägt.

Norbert Kröll Die Kuratorin
Roman.
Wien: Kremayr & Scheriau, 2022.
304 S.; geb.
ISBN 978-3-218-01336-9.

Rezension vom 21.12.2022

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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