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Die kosmische Komödie

Manfred Rumpl

// Rezension von Gerald Lind

Mit dem alliterierenden Titel seines neuen Romans Die kosmische Komödie verweist Manfred Rumpl vordergründig auf Dante Alighieris Göttliche Komödie. Die Anspielung im Titel korrespondiert allerdings nicht mit Strukturähnlichkeiten im Text selbst, weder auf der erzähltechnischen noch der auf der symbolischen Ebene sind Verbindungslinien erkennbar. Eine Verwandtschaft zwischen den beiden Texten gibt es nur insofern, als es Rumpl wie Dante um eine Erfassung des Spektrums menschlicher Verfehlungen geht und beide „Komödien“ tatsächlich bizarr und abgründig sind, also keineswegs zum Lachen anregen.

Erklären lässt sich der Titel Die kosmische Komödie somit weniger über Analogien zu Dante als mit zwei wesentlichen Aspekten des Romans: Eine der Hauptfiguren der Kosmischen Kömodie ist Kabarettistin, der Premierenabend ihres neuen Programms, das weniger witzig als tragisch ist, markiert eine zentrale Plot-Schnittstelle des Romans. Außerdem sind in den Text wiederholt Verweise auf den Kosmos und das Kosmische eingebaut, der TV-Journalist und Astronomiestudent Franz ist die exemplarische Figur dieses semantischen Feldes. Franz und die Kabarettistin werden ein Paar, wodurch Rumpl die beiden Titel gebenden Elemente des Romans auf der Ebene der Figurenbeziehungen miteinander verbindet.

Beziehungen – amouröse und skandalöse, kriminelle und professionelle – sind generell das zentrale Thema des Textes. In 36 meist recht kurzen Kapiteln entwickelt Rumpl auf teilweise multiperspektivische Weise ein Beziehungsnetz zwischen seinen Figuren: einem zu Beginn des Romans aus der Haft entlassenen Mann, dem Manager Bert und seiner Frau Rosa, der erwähnten Kabarettistin und dem TV-Reporter Franz, dem Edelgastronomen Josef, der AMS-Angestellten Silvia. Hinzu kommen noch einige Nebenfiguren. Die Vorgangsweise des Autors, bei mehreren in einem Kapitel auftretenden Hauptfiguren zumeist nur eine zu fokalisieren, ist überzeugend, die einzelnen Textabschnitte werden auf diese Weise zu stimmigen Figuren-Psychogrammen. Rumpl behält aber auch die verschiedenen Handlungsfäden souverän in der Hand und setzt seine Romanarchitektur erzähltechnisch geschickt – Textbaustein für Textbaustein – zusammen.

Der Leserin beziehungsweise dem Leser werden so im Laufe der Handlung, die sich nur über einen einzigen Tag – vom frühen Morgen bis zum Ende der Nacht –erstreckt, die Beziehungen zwischen den Figuren bewusst. Der Ex-Häftling hat mit dem Gastronomen Josef und der AMS-Angestellten Silvia, mit der er einst liiert war, eine nicht nur monetäre Rechnung offen. Josef ist der Ex-Geliebte der Kabarettistin, hat sie zur Abtreibung des gemeinsamen Kindes gezwungen. Die Kabarettistin verliebt sich in den TV-Reporter Franz, der für die Aufzeichnung ihres Premierenabends zuständig ist. Silvia, die AMS-Angestellte, kommt mit dem Manager Bert, mit dem sie eine Affäre hat und der am Vormittag gekündigt wurde, zur Premiere. Berts Frau Rosa kommt mit einer Freundin. Josef kommt jedoch nicht, ebensowenig der Ex-Häftling. Die Ereignisse bei der Premierenfeier führen zu einem nur indirekt – über den im Nachhinein vom Ort des Geschehens berichtenden Franz – erzählten Showdown, bei dem die zentrale Konfliktsituation des Romans gelöst wird. Dennoch bleiben genug Fragen für einen etwaigen zweiten Teil offen.

Rumpls Roman ist kompositorisch gelungen, weist jedoch stilistische Schwächen und eine Neigung zur stereotypisierten Darstellung auf. So heißt es etwa über den Ex-Häftling: „… und immer wieder Körperverletzung. Das war seine Domäne.“ (S. 28). Der Manager Bert denkt: „Dass eine Menge Jobs aufgrund seiner Vorschläge wegrationalisiert wurden, entspricht dem Geist dieser Zeit“ (S. 13). Die AMS-Angestellte Silvia führt ein Telefonat mit dem Ex-Häftling, „das sie unversehens in eine persönliche Krise stürzt.“ (S. 38) In einem Bordell hängen „[a]n den Wänden Fotos von wilden Nächten mit diversen Frauen ganz unterschiedlichen Typs.“ (S. 57-58) Boris, der kleine Sohn des Managers Bert, hat eine „Schirmmütze, die es so in keiner Designerboutique gibt.“ (S. 78) Die Kabarettistin sagt in einem Fernsehinterview: „Unzählige TV-Comedys mit Instantgelächter – und manche sind nicht übel – setzen seit langem neue Maßstäbe, hinter denen wir nicht zurückbleiben dürfen.“ (S. 95)

Manfred Rumpl ist der gar nicht seltene Fall eines Autors, der besser erzählen als schreiben kann, der Phantasie hat, einen großen Handlungsbogen mit vielen Figuren entwirft, aber stilistisch bisweilen danebengreift. Die kosmische Komödie ist deshalb ein Buch mit Stärken und Schwächen, mit einem interessanten Aufbau und gehörig Suspense, aber leider auch mit sprachlichen Fehlgriffen und Klischees.

Rumpls Text hätte mehr Sorgfalt auf der sprachlichen Ebene und die Streichung einiger Passagen, die dem Leser erklären möchten, was er gerade gelesen hat, sicherlich gut getan. Vielleicht hätte schon ein genaueres Lektorat genügt. Auch Fehler wie etwa das AMS, in dem Silvia arbeitet, zunächst in der „Kendlerstraße“ (S. 17), dann in der „Redergasse“ (S. 50) und schließlich in der „Kendlergasse“ (S. 74) zu lokalisieren, sollten nicht passieren.

Die kosmische Komödie.
Roman.
Wien: Luftschacht Verlag, 2010.
210 Seiten, gebunden.
ISBN 978-3-902373-57-1.

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Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autor

Rezension vom 24.08.2010

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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