#Lyrik

Die Ewigkeit des Augenblicks

Zdenka Becker

// Rezension von Astrid Nischkauer

der duft frischen brotes
im garten der gefühle
im dschungel der liebe

der morgen
wirft die netze aus
fängt die sonne ein
und lacht

Zdenka Becker ist bislang vorwiegend als Autorin von Theaterstücken, Erzählungen und Romanen, wie beispielsweise Ein fesches Dirndl (2019), in Erscheinung getreten. Die Ewigkeit des Augenblicks, erschienen in der Reihe „Podium Portrait“ 2021, ist erst ihr zweiter Gedichtband. Erika Kronabitter, die Herausgeberin der Reihe, schreibt in ihrer Einleitung mit dem Titel „EINE GEOMETRIE DER LIEBE“ folgendes dazu: „von ihren Gedichten wurde bis dato nur ein einziger Lyrikband, Das einzige Licht die Mondfinsternis (1999), veröffentlicht. Nicht, dass Zdenka Becker […] keine Lyrik mehr geschrieben hätte: Sie hat diese allerdings mehr oder weniger nur gesammelt, dann und wann bei Bewerben eingereicht, vereinzelt in Anthologien veröffentlicht. Der Großteil wurde für einen späteren Zeitpunkt aufbewahrt.“ Dieser Zeitpunkt ist nun gekommen.

das frischgebackene brot
noch warm in der hand
duftet
wie der schweiß
einer liebesnacht
wie ein schlafendes
kind in der wiege
wie unsere schönsten jahre

Der Band umfasst einen ganzen Lebensabschnitt einer erwachsenen Frau, vom Kennenlernen und Zusammenziehen über Ländergrenzen hinweg, Beziehungs- und Alltagsleben, Reisen, gemeinsamen Kindern, bis hin zum allmählichen Älterwerden miteinander. Da ein großer Zeitabschnitt durchmessen wird, wird die Zweisamkeit in vielen Facetten verhandelt, auch Krankheit und Kränkungen, wie die eines vergessenen Geburtstags, werden thematisiert, im Großen und Ganzen überwiegt aber die Glückseligkeit unvergänglicher Augenblicke.

nur einen augenblick lang
verweilen in deinen augen
ruhen in deinem blick
im regenbogen deiner iris
mich darin sehen
erkennen
in dem spiegel
deiner seele
in dir

Zdenka Becker schreibt sehr prägnante, kurze Gedichte, die sich aufs Wesentliche konzentrieren, keine Zeit für Zierrat oder Reime haben und dabei ebenso direkt wie fein und feinfühlig sind. In durchgehender Kleinschreibung verzichten sie mit Ausnahme von gelegentlichen Fragezeichen auf jegliche Interpunktionen.

[…] warum?
weil ich suche
was?
dich und mich

Ernsthaft aber doch voll Heiterkeit schreibt sie über die Liebe und das Leben. Intimität schildert sie in einer Mischung von Offenheit und Zurückhaltung.

[…] ich berühre
deinen fremden körper
lausche dem geheimnis
zwischen zwei herzschlägen
versteckt […]

Der Titel Die Ewigkeit des Augenblicks bringt es auf den Punkt, worum es Zdenka Becker in ihren Gedichten geht: Was von einem Leben im Rückblick bleibt, sind Glücksmomente der Zweisamkeit, kostbare Augenblicke, die unvergesslich und damit unvergänglich sind.

[…] wie der duft
der vorbeizieht
und unvergesslich
bleibt

Zu hoffen bleibt, dass Zdenka Becker bis zu ihrem nächsten Lyrikband nicht ebenso viel Zeit verstreichen lässt. Wobei die über zwanzig Jahre, die zwischen den beiden Publikationen liegen, der Qualität der Texte zuträglich zu sein scheinen, lesen sich viele davon doch wie hochprozentige Gedichtkonzentrate. Außerdem ist Zeit ja bekanntlich relativ und auf derart zartfeine Zeilen, die wie Seifenblasen in der Sonne schillern, wartet man gern und voller Vorfreude.

[…] ein kind schickt
seifenblasen
auf ihren
schillernden weg

Zdenka Becker Die Ewigkeit des Augenblicks
Ausgewählte Gedichte.
Hg. und Vorwort: Erika Kronabitter.
Wien: Podium Porträt 112, 2021.
64 S.; brosch.
ISBN 978-3-902886-61-3.

Rezension vom 09.03.2022

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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