Das Krimmwing in uns
Anna Herzig besiedelt ihr frei erfundenes Krimmwing mit allerlei skurrilen Gestalten. Da gibt es die junge Rosa, ledig und alleinerziehend. Oder die Liesl mit der körperlichen Auffälligkeit, sie hat drei Brüste. Aber auch den Rathbauer, der sich so gern schminkt, allein, vorm Spiegel. All das beobachtet, bewertet und beurteilt Krimmwing. Denn Krimmwing sind alle Krimmwinger. Nicht einmal der Teufel hat so scharfe Augen wie die Nachbarn. Nicht einmal der Teufel hat so scharfe Augen wie die Krimmwinger. Sie verstehen es am besten, sich gegenseitig das Leben zur Hölle zu machen, dabei wäre Krimmwing eigentlich ein schöner Ort. Wenn es die Nachbarn nicht gäbe. Die Menschen, die dort leben. Wien ohne Wiener. Krimmwing ohne Krimmwinger. Warum es den Südafrikaner Jackson trotzdem nach Krimmwing verschlägt, erfahren wir von der Autorin zwar nicht, aber dafür, warum er Krimmwing so schnell wieder verlässt. Aufgrund seiner schwarzen Hautfarbe ist er nicht willkommen in Krimmwing. Genausowenig wie Liesl oder Rosa. Aber nachdem er Rosa geschwängert hat, kann Jackson wenigstens flüchten, Rosa allerdings muss bleiben und bekommt ihren gemeinsamen Sohn Josef alleine. Ihre Eltern machen es ihr nicht gerade leicht, aber dann wird aus dem Steinlachner Seppi, dem Josef, doch ein ganzer Mann. Und dieser Mann stellt Fragen. Aber als sie nicht beantwortet werden, diese Fragen, geht der Seppi letztlich mit einem Seil zum Apfelbaum auf den Kirschkernhügel. Das will im Nachhinein niemand geahnt haben.
Aufstand in der Provinz
„Es sind die kleinen Verbrechen an der Seele, die die inneren Blutungen ausmachen„, ist Anna Herzigs erster Satz in ihrem Debütroman, der in knappen Worten den Alltag in einem von vielen Krimmwings der Welt beschreibt. Manchmal durchaus derb, dann aber auch zärtlich, wenn sie beschreibt, wie der El-Kah-Ih (Lorenz Karl Ignatius Rathbauer) Rosa beim Ankleiden zusieht und sie nur mit Blicken berührt. „Die dritte Hälfte eines Lebens“ spielt in der österreichischen Provinz, es gibt noch österreichische Schillinge und Rosas Eltern haben noch Rumtöpfe vor dem Haus stehen. Das Aufwachsen war für alle schwierig in jener Zeit und Kinder hatten nichts zu lachen. Mehr noch in Krimmwing, wenn man eine braune Haut hatte und der Vater abwesend war. „Der Verzicht, ein Leben zu leben, weil die anderen denken, was sie denken“, dieser Zwang war damals noch sehr groß. Dafür gab es das „Vladorama“ und das Wirtshaus „Zum Grausamen Weib“. Dort konnte man so sein, wie man wollte.
Und als der Seppi als Peter Dohringer nach Krimmwing zurückkommt und das „Vladorama“ übernimmt, spielt’s endlich Aufstand in Krimmwing.