Lesenswert ist der Inhalt natürlich trotzdem, und für die ängstliche Absicherung der Herausgeber, was die getroffene Auswahl betrifft, besteht keine Notwendigkeit. Subjektive wie pragmatische Zufälligkeiten sind legitim bzw. unumgänglich und die vorliegende Auswahl ist durchaus repräsentabel. Dass Else Lasker-Schüler hier vertreten ist, von deren insgesamt drei Dramen allenfalls „Die Wupper“ einige Bekanntheit erreicht hat, ist durchaus im Sinne eines rezeptionsmäßigen Nachholbedarfs zu rechtfertigen. Und George Tabori als Phänomen des deutschsprachigen Theaters zu sehen, ist sicher auch legitim. Die österreichische Szene ist mit Schnitzler, Hofmannsthal, Horváth, Canetti, Hochwälder, Soyfer, Bernhard, Bauer, Handke, Turrini, Jelinek, Mitterer, Schwab würdig vertreten.
Geordnet sind die als wissenschaftliche Essays gehaltenen Beiträge nach dem Geburtsdatum der Autoren, und so eröffnet der Band mit Arthur Schnitzler und dem Rezeptionsmissverständnis rund um Schnitzlers ersten Burgtheaterauftritt, der erfolgreichen Uraufführung von „Liebelei“ 1895. Was gleich bei diesem ersten Beitrag (Stefan Greif) auffällt, und stärker vielleicht noch bei dem über Ödön von Horváth (Ingrid Haag) ist die Dürftigkeit der Literaturhinweise. Dass auf einen wissenschaftlichen Apparat im Sinne einer leichteren Lesbarkeit für breitere Leserschichten durchgängig verzichtet wird, ist durchaus eine sinnfällige Entscheidung. Wenn die angefügten Hinweise zur Forschungsliteratur aber in den 80er, allenfalls Anfang der frühen 90er Jahren stecken bleiben, hat das weniger mit leichterer Konsumierbarkeit für den Leser, als mit mangelnder Aktualität der Beiträge zu tun. Daneben gibt es natürlich auch eine Reihe sehr sorgfältig recherchierter Essays wie der zu Marieluise Fleißer (Elke Brüns).
Die Beiträge sollen, so die Herausgeber im Vorwort, „den Stand der Forschung berücksichtigen, dabei deutliche Schwerpunkte setzten, aber auch einen Gesamteindruck des dramatischen Werks vermitteln, der eigene Akzente setzt oder zumindest einen eigenen Forschungsansatz profiliert“. Die Umsetzung dieses Anspruchs ist sehr unterschiedlich verwirklicht. Neben rein referierenden Texten, die eine durchaus brauchbare Zusammenfassung bieten, aber eher an der Oberfläche bleiben und keine neuen Aspekte erkennen lassen, wie der Beitrag zu Thomas Bernhard (Manfred Mittermayer), findet man auch solche, die in die Tiefe gehen und tatsächlich einen Forschungsbeitrag liefern, wie der Artikel zu Marlene Streeruwitz (Konstanze Fliedl). Für eine erste, durchaus ausführliche Information sind zweifellos alle Beiträge geeignet, wer mit literaturwissenschaftlichem Interesse an den Band herangeht, muss sich die Rosinen etwas mühselig herauspicken.