#Prosa

des abends schräge bahn

Karin Schöffauer

// Rezension von Florian Neuner

Diese knapp 90 Seiten Prosa haben es in sich: Kaum je die Länge einer halben Druckseite überschreitend, enthält beinahe jede der in Karin Schöffauers Band des abends schräge bahn versammelten Prosaminiaturen geradezu verschwenderisch viele Bilder, Gedankensprünge, Assoziationen und überraschende Wendungen. Andere würden geizen damit, würden längere Textstrecken damit bestreiten. Diese Prosa ist Verdichtung in hohem Maße, und dennoch: Es herrscht Anarchie in ihr. Nichts ist streng gefügt, alles läuft ständig aus dem Ruder, gerät auf schräge Bahnen.

Ein Text beginnt dann etwa mit dem Satz: „hat die fliesen geschwärzt.“ (S. 69) Nun könnte einem dieser kurze Satz schon einiges zu denken geben: Wo bzw. wer ist das ausgesparte Subjekt? Wie eigentlich kann „schwärzen“ in Verbindung gebracht werden mit Fliesen? Aber gleich geht es weiter, Schlag auf Schlag, Satz für Satz: „der zwischenschneider tod und die schatten beschriftung. für das kurze leben dauert das sterben doch so lang. durch die mitte ein geigenton vergangen.“ „Usw.“ war ich versucht zu schreiben, aber das ergibt hier keinen Sinn. Wer möchte den nächsten Satz vorausahnen? „das signifikant insignifikante an den aprillieben“, folgt dann. „das russische blau des auges.“

Mit was haben wir es zu tun bei diesen so überaus gehaltvollen Miniaturen? Mit „surrealistischen Bilderwelten“, wie es in einer Verlagsankündigung heißt? Das scheint nicht unzutreffend. Aber heißt das nun, daß die Autorin ihren Assoziationen freien Lauf zu lassen bemüht ist, die Zensurinstanz des rationalen Wachbewußtseins außer Kraft setzend? Von der produktionsästhetischen Seite, über die hier nicht spekuliert werden soll (spontan-schnell hingeworfen oder extrem kalkuliert), einmal abgesehen, griffe eine solche Etikettierung à la Reise nach innen auch mit Sicherheit zu kurz. Denn Karin Schöffauer sucht keineswegs ihr Heil in der Introspektion, in einer Innenwelt, in der nur noch poetische Gesetze gelten würden, also gar keine. Hier verbunkert sich kein mayröckerisches poetisches Ich, das sich nur mit sich selbst, allenfalls aber mit Lektüren auseinandersetzt. Zu solchen Anätzen übt Schöffauer sich in ironischer Distanz: „wenn ich nur sagen könnt was mür auf der söölö brönnt.“

Schöffauer will das gar nicht. „und auch das gerümpel im kopf hat gewiß einen inneren zusammenhang ganz gewiss“, konstatiert die Autorin, läßt es dabei aber nicht bewenden. Sie dreht und wendet das sprachliche Gerümpel, mit dem die Umwelt ihren Kopf vermüllt, wendet es gleichsam gegen sich selbst und schlägt Funken daraus. Ihre Prosa nimmt es auf mit der verwalteten Welt und ihren (sprachlichen) Deformationen, etwa in einem Stück, das sich die Sprache der Verbote und der Entmündigung des Individuums vornimmt und so beginnt (S. 22): „im notfall eingang strengstens verboten ausgang verboten durchgang verboten bis auf widerruf unerlaubt verboten nebeneingang oops wrong door widerrechtlich strengstens elektronisch überwacht kostenpflichtig!“ Wie denn, ist nun die elektronische Überwachung widerrechtlich, fragt sich der Leser und wird noch mehr verunsichert, wenn sich weiter unten zwischen „kanalgebrechen“ „gasverbrechen“ mischen. Immer wieder bricht die Realität dialektal-brutal in diese Texte ein („ge!ge!“), manchmal schon arg ungehobelt, immer wieder auch fällt die Autorin sich selbst ins Wort („macht nix.“, „no comment.“).

Manchmal bringen strukturierende Reihungen die Schöffauer’sche Assoziationsmaschine in Gang, und eine Miniatur beginnt dann mit „als die dielen knarrten als die holzwände knackten als die ofenscheite krachten als …“ Seltener noch hält ein ganzer Abschnitt sich bei einem Bild oder Tableau auf, wie in einem Text, der höchst facettenreich eine Stadtpark-Szenerie ausmalt (S. 41). Meistens aber vermeidet Schöffauer soviel Geradlinigkeit. Ja, die „gerade bahn“, die an einer Stelle in Zusammenhang mit „gefechtslärm“ und „feld“ auftaucht, scheint geradezu das Synonym zu sein für das, wogegen sie anzuschreiben versucht. Und Fragen wie „welche farbe hat das geräusch einer stichsäge?“, die in anderer Umgebung poetisch-geschmäcklerisch sich ausnehmen könnten, stehen dann neben Fügungen wie „mordsonne pardon morgensonne schirme endzeithimmel stabilfenster“, neben Irritationen wie dem „wochenverende“ und „frontberichten“.

des abends schräge bahn.
Klagenfurt, Wien: Ritter Verlag, 2006.
88 Seiten, broschiert.
ISBN 3-85415-398-6.

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autorin

Rezension vom 23.04.2007

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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