#Roman
#Debüt

Der Räuber

Martin Prinz

// Rezension von Karin Cerny

True Crime, Made in Austria: Ende der 80er Jahre wurde in Österreich ein Mann als „Pumpgun-Ronnie“ berühmt. Im bürgerlichen Leben als Johann Rettenberger bekannt, überfällt der sympathische 30jährige Niederösterreicher mehrere Banken (an einem Tag sogar drei!). Seiner Frau erzählt er, er sei Laufen oder Spazieren gewesen. Wie die Bankräubergang „Die Ex-Präsidenten“ in Kathryn Bigelows Surfer-Thriller „Point Break“ (1991) zieht sich Pumpgun-Ronnie bei seiner Arbeit eine Ronald Reagan-Maske über den Kopf.

Der 1973 in Lilienfeld geborene und in Wien lebende Autor Martin Prinz hat den Bankräuber aus der Ferne gekannt. Verbunden hat die beiden ihre Liebe zum Laufsport. Mitte der achtziger Jahre nehmen beide an einem Wettbewerb in Niederösterreich teil, und der ältere Rettenberger hängt – natürlich ohne es zu wissen – den jüngeren Autor, wie später noch einige andere Verfolger, souverän ab. Jahre später heftet sich Martin Prinz dem Flüchtenden in seinem Roman Der Räuber erneut an die Fersen. Der Räuber, so schmal wie eine Erzählung, läßt die letzten Stunden des flüchtenden Bankräubers noch einmal Revue passieren. Erklärungen, warum diese Figur ihre Einbrüche begangen hat, werden großräumig umgangen, das Innenleben des Flüchtenden ist nur insofern interessant, als es zu einer Fluchtbewegung drängt.

Vier Tage lang ist der geübte Marathonläufer zum Großteil zu Fuß im Umland von Wien unterwegs, narrt die verfolgende Polizei, bis ihn ein tötlicher Schuß trifft. Das vorangestellte Motto von Franz Kafka „Ich werde mich nicht müde werden lassen“ gibt den ruhelosen Rhythmus vor. Rettenberger rennt und rennt: So ist Der Räuber kein Krimi sondern eine Art Laufstudie geworden, über einen, der nur im Rennen ein gewisse innere Ruhe finden kann, die ihm sonst im normalen Leben verwehrt bleibt. Die Einsamkeit des Langstreckenläufers – sympathisch ist allerdings, daß der Läufer in Bedrängnis und nicht als Held präsentiert wird. Als einer, der immer wieder gerade noch entkommt – und wir dürfen dabei sein und ertappen uns dabei, wie wir ihm die Daumen drücken. Dazwischengeschaltet lesen wir Originalberichte aus den Zeitungen und Rückblenden der Banküberfälle. Auch von einem Mord ist die Rede.

Prinz geht es in seinem Debüt um eine Beschreibung der Hast, darum, den Atem des Läufers erfahrbar zu machen. Das gelingt ihm mit seiner kühlen, eher distanzierten Sprache zum Teil ausgezeichnet und ohne falsches Psychologisieren, allerdings mit Wiederholungen – Laufen bleibt Laufen – und vielleicht einer Sprintbegeisterung, die nicht jeder teilen mag und die manchmal nah am Kitsch ist: „Ein Räuber geht durch die Nacht. Er tritt ein in die Finsternis, geht wie in einem Traum durch sie hindurch, steigt leise und unerkannt aus ihr heraus“. Neugierig geworden auf diesen Autor ist man aber schon: Mal schauen, wie er seine weitere Laufstrecke plant.

Martin Prinz Der Räuber
Roman.
Salzburg, Wien: Jung und Jung, 2002.
136 S.; geb.
ISBN 978-3902144409.

Rezension vom 27.11.2002

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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