#Prosa

Der Kopf denkt in Bildern

Leopold Federmair

// Rezension von Claudia Holly

Leopold Federmair liebt die Sprache. Als Material zur Schaffung von Erinnungsbildern widmet er sich ihren lautmalerischen Möglichkeiten soweit, daß man seine Vorstellung vom Kopf, der in Bildern denkt, durchaus nachvollziehen kann.

In den sieben Prosastücken kommt es nicht so sehr auf eine realistische Wiedergabe des Erlebten an, sondern vielmehr auf die Vermittlung einer momentanen Stimmung, einer subjektiven Befindlichkeit.

Der Ich-Erzähler bereist verschiedene europäische Orte und Landschaften, schließt Freundschaft mit Einheimischen und erlebt seine unmittelbare Umgebung zusehends als einen Bilderrausch, dem kaum noch eine chronologische Abfolge anhaftet.

Der erste, nur zwei Seiten umfassende Text, „Herr Kaiser“, läßt den Leser vermuten, daß noch einiges an Skurrilitäten auf ihn zukommen wird. Nicht daß man in der Folge enttäuscht wäre, aber das Geschilderte verlagert sich immer mehr ins Innere des Erzählers. Mit „Abfall. Fragmente“ und „Palimpsest Babel“ wird man in seine Lebens- und Erfahrungswelt eingeführt. Im Dialog mit Emilio durchwandert er ein Palimpsest von Sprachmelodien, deren sinnliche Ausstrahlung auch die Fragmente aus dem Alltag überlagert.

Im Zentrum steht allerdings der Essay „Nach der Kunst“. Nun sind wir im Süden Frankreichs gelandet, wo der Ich-Erzähler mit dem Amateur-Bluesgittaristen Jean-Patrick und seinen Freunden herumzieht. Ausgehend von Bildern van Goghs und Cézannes‘ kommt er immer wieder auf die Sinnlichkeit von Sprache zurück, die letztlich nichts anderes vermittelt und darstellt als Bilder.

Die drei darauffolgenden Texte „Sieben Einsamkeiten“, „Zwang und Neigung“ sowie „Reinheit und Totalität“ setzen schließlich den Prozeß der Auflösung fort und schließen ihn gleichzeitig ab.

Leopold Federmair Der Kopf denkt in Bildern
Verschiedene Prosa.
Klagenfurt, Wien: Ritter, 1996.
120 S.; brosch.
ISBN 3-85415-195-0.

Rezension vom 13.08.1997

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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