Die Geschichte ist in zwölf Kapitel gegliedert und wird im Rhythmus der zwölf Monate eines Jahres erzählt. Es ist ein gleichmäßiges, beinahe gleichmütiges Erzählen. Leichter als eine direkte Beschreibung dieses Buches scheint mir eine Aufzählung, was dieser Text nicht ist: Nicht Romantik, nicht Idylle, auch nicht Symbol, Vergeistigung oder Vergöttlichung der Natur. Das Buch hat ferner absolut nichts von einem Aufruf „Zurück zur Natur“. Es bleibt die Frage offen, was Weinzettl in diesem Prosatext macht. Ich denke, es ist ein langsames, besinnliches Beobachten der Naturgeschehnisse im Verlauf eines Jahres. Er beschreibt Blütezeiten, Erntezeiten und Kargheit der Natur. Er funktionalisiert die Natur aber nicht. Zwar gibt sie den Menschen etwas – wie Früchte und Gemüse – und diese Dinge „müssen“genommen werden, nicht jedoch in Form einer Ausbeutung, sondern in einem natürlichen Zyklus, in einer Selbstverständlichkeit.
Weinzettl bzw. seine Protagonistin favorisiert keinen der zwölf Monate, keine der Jahreszeiten. Anna Neuherz führt ein Leben, das sich in den Zyklus der Natur einfindet. Sie erntet die Beeren, wenn sie reif sind und die Kartoffeln, wenn es Zeit dafür ist. Ohne Beurteilung. Ohne gut und schlecht. Beinahe gleichgültig dem Wandel gegenüber. Wie vielleicht auch die Natur selbst? Ebenso finden sich kaum menschliche Zuschreibungen, weder ästhetischer noch moralischer Herkunft. Ein Hinnehmen der Gesetzmäßigkeiten. Dazwischen streut Weinzettl wenige Erinnerungen der Protagonistin. Auch diese ohne große emotionale Erlebnisse, kein Jammern, keine Qualen, da und dort ein „kleines“Glück.
Diese stille Zurückhaltung und Nüchternheit ist auch in der Sprache zu beobachten. Weinzettl verzichtet auf Ausschmückungen und affektive Verzierungen. Es ist jedoch eine Neigung zur lyrischen Sprache erkennbar. Er lässt seine Protagonistin des Weiteren immer wieder in einer alten ländlichen Sprache sprechen und denken, die an manchen Stellen auch übersetzt wird. Anna Neuherz fügt in ihr Verhalten alte Traditionen und abergläubische Sprüche ein, die mit dem alltäglichen Leben verwoben sind: So wischt sie zum Beispiel den Tisch ab, bevor sie geht, „damit die Engel nicht stolpern beim Tanzen“. Etwas mühsam sind die vielen biologischen Benennungen der verschiedenen Pflanzen, wie ein Lehrpfad durch die ländliche Welt.
Aufgrund dieser sachlich nüchternen Betrachtung fehlt das emotionale Miterleben der Natur. Die LeserIn verfällt keinem Sinnenrausch, auch nicht bei der Beschreibung von Frühling oder Sommer. Wenn Weinzettl die Farben der Blüten nennt, so sieht man keine farbenreiche Landschaft und riecht nicht den Duft der Blüten. Kommt da die Dimension, die Thematik des Alterns ins Buch? Die nachlassende Intensität der Sinne durch das Altern lässt vielleicht die Natur verblassen. Oder es ist einfach das jahrzehntelange Beobachten des Gleichen, das die Begeisterung nimmt und an deren Stelle ein gleichmütiges Hinnehmen treten lässt, das auch durch die Einsamkeit verstärkt wird, in der Anna Neuherz seit dem Tod ihres Mannes lebt, allein, nur mit einer Katze und einem Hund.
Weinzettl berichtet durch die Erinnerungen seiner Protagonistin von einem ländlichen, bäuerlichen Leben. Die Kirche, die wichtig war und das schöne Kleid dafür, der lange Schulweg, die frühe Heirat, Erinnerungen an den Krieg und an den Ehemann. Es schimmert auch das Denken einer Generation durch, die noch weiter zurück liegt, wenn Anna Neuherz von ihrem eigenen Vater erzählt. So kann diese Erzählung auch als das Bewahren einer Lebensgestaltung angesehen werden, die es so wahrscheinlich in Österreich kaum mehr gibt.