#Prosa

der Hut, das Wasser, die Liebe

Magdalena Kauz

// Rezension von Christine Schranz

In ihrer ersten in Buchform erschienenen Erzählung beschreibt Marlene Kauz mit leisen, eindringlichen Worten das Ende einer Liebesbeziehung. Die Hauptfigur, eine Hutmacherin, beobachtet die Affäre ihres Partners mit stummer Eifersucht. Die Erzählerin ist eine nachdenkliche, schweigsame und unauffällige Person. Ihre bunten Hüte sind „Camouflage, wie wir sie alle brauchen: Hüte mit bunten Federn, die traurige Frauen lustiger aussehen lassen.“ Sie hört den Erzählungen ihrer Kunden zu und sagt über sich selbst: „Ich verschwinde hinter der Erzählung, mache mich unsichtbar.“ Inmitten der Gesellschaft – in ihrer Partnerschaft, beim Treffen seiner Freunde – hat sie das Gefühl, nichts zu sagen zu haben. Das Leben der Protagonistin, eine lockere Aneinanderreihung von Sinneseindrücken und wiederholt durchlebten Erinnerungen, spiegelt sich im Aufbau der Erzählung wider, in der sich intensive Beschreibungen von Gerüchen, Farben und Beobachtungen mit Déjà-vu Erlebnissen und Kindheitserinnerungen abwechseln.

Die Protagonistin lebt in ihrer eigenen Welt, in der kleine Dinge zu Symbolen für größere werden. So füttert sie etwa regelmäßig die Maus, die in ihrem Atelier wohnt: „[Die Maus] ist allein, pflanzt sich nicht fort. Wie ich, ohne Kinder.“ Das Essen einer Mandarine wird zur Metapher der Lust auf ihren Partner: „Im Moment, wo der Schnitz genau in die weiche Haut der Kerbe trifft, spüre ich es zwischen meinen Schenkeln.“ Versucht die Protagonistin, ihre Welt mit dem Partner zu teilen, nimmt er sie jedoch nicht zur Kenntnis. Als sie ihm etwa beim Entenfüttern am Fluss eine Nachricht schickt – „MÖCHTE MIT DIR NACH BROT TAUCHEN“ – antwortet er nicht.

Kauz erinnert uns immer wieder geschickt an die Distanz zwischen der Erzählerin und den Menschen in ihrer Umgebung, indem sie die beiden durch Fensterscheiben trennt. So beobachtet die Hutmacherin die Passanten durch das Fenster ihres Ateliers, ihres Hotels, des Zuges, als würde sie ein Bild betrachten. Die Scheiben bilden eine gläserne Mauer zwischen ihr und dem Leben, die so unüberwindlich wie unsichtbar scheint: „Sehen, ohne zu hören.“ Sie beobachtet die Welt, ohne daran teilzunehmen oder selbst gehört zu werden. Besonders deutlich wird die Trennung zwischen „der anderen“ (der Erzählerin) und „den einen“, als sie für einige Tage alleine verreist und dabei die Menschen beobachtet: „Ich suche nach den anderen, den unsicheren, den scheuen, den nichtgesprächigen, den nachdenklichen. Sie sind nicht da, der Platz scheint reserviert für die einen. Misstrauische Seitenblicke fallen auf mich. Ich gehöre zu den anderen.“

Die deutliche Erkenntnis, dass sie zu den „anderen“ gehört, wird zum Wendepunkt der Erzählung. Die Protagonistin beginnt, aktiv nach einer Lösung zu suchen: Ist sie in ihrer Beziehung noch zufrieden? Auf der Suche nach Antworten kehrt sie an eine Quelle im Wald zurück, an der sie als Kind den vielleicht glücklichsten Moment ihres Lebens verbracht hat. Hier begegnet sie dem „Wassertrinker.“ Der geheimnisvolle Fremde erzählt, dass er das Wasser an verschiedenen Orten koste und vergleiche. Er fordert sie zum Trinken auf und erklärt: „Aus schlechtem Wasser kann nie gutes werden, aus gutem aber sehr wohl schlechtes.“ Auf der Heimfahrt führt die Hutmacherin seinen Gedanken weiter und vergleicht Beziehungen mit Mineralwasser, aus denen im Laufe der Zeit unausweichlich die Kohlensäure entweicht. Sie fragt sich: „[I]st unser Wasser schlecht geworden? Und – war es überhaupt je wirklich gut gewesen?“, und bleibt ratlos. Als sie jedoch beim Betreten des Ateliers ihre Maus tot in einer Falle findet, weil sie die Putzfrau nicht gebeten hat, die Maus am Leben zu lassen, wird ihr ihre eigene Passivität bewusst. Bewusst hört sie auf, „den Bildern vor dem Fenster mehr Raum [zu geben] als denen dahinter, drinnen.“ Sie kehrt nicht mehr ins Haus ihres Partners zurück.

Die ihr eigene Zurückhaltung behält die Erzählerin dennoch bei; sie lässt sich kaum auf andere Menschen ein, weil sie keine weitere Enttäuschung riskieren möchte. Erst im Epilog erhebt sie wieder die Stimme und geht zum ersten Mal aktiv auf einen neuen Menschen zu, als sie im Museum dem Wassertrinker zum zweiten Mal begegnet. Sie fragt ihn, ob er glaube, dass Liebe wie Wasser sei. Der geheimnisvolle Fremde verschwindet allerdings zum zweiten Mal aus ihrem Leben, ohne auf das Gespräch einzugehen.

Kauz‘ Erzählung besticht durch die poetische Sprache, die abstrakte Empfindungen in leuchtende Farben und treffende Bilder zu verwandeln weiß. der Hut, das Wasser, die Liebe konfrontiert den Leser mit der Einsamkeit in einer Partnerschaft und zeigt die gedankliche Reise zur Erkenntnis, dass die Beziehung aufgehört hat, zu funktionieren. Viel wichtiger als die Tatsache, dass die Protagonistin am Ende allein bleibt, ist, dass sie im Laufe der Erzählung lernt, „Nein!“ zu sagen und erneut auf Menschen zuzugehen.

Die Botschaft ist eine gut gewählte, deren Umsetzung gerät gegen Ende der Erzählung jedoch mitunter sehr sentimental. Die Heldin horcht bisweilen etwas zu tief in sich hinein und vermittelt das Gefühl, zu sehr von sich selbst und den Mysterien der Liebe eingenommen zu sein: „Eigenartig, dass der Sitz der Liebe das Herz sein soll, nicht die Seele. […] Wie wenn es einen anatomisch verortbaren Sitz der Liebe gäbe. Dabei ist sie, die Liebe, flüchtig, unberechenbar. Parfüm. Nicht nachweisbar, wie die Seele.“ Wenn Gedankengänge wie dieser zwar manchmal besser der Phantasie des Lesers überlassen blieben, so findet Kauz doch ein gutes Schlussbild. Die Wege der Frau und des Wassertrinkers trennen sich vor dem Bild „The beginning and the end“ des amerikanischen Künstlers Eric Fischl. Wie Kauz‘ Erzählung beschäftigen sich auch Fischls Bilder mit dem Spannungsfeld Paarbeziehung. „The beginning and the end“ – ein Bild, auf dem die Frau näher beim Betrachter steht und daher größer wirkt als der Mann, ruft noch einmal das Leitmotiv der Erzählung – die Welt gefiltert durch Bilder- und Fensterrahmen – in Erinnerung und unterstreicht die zentralen Erkenntnisse der Protagonistin: Sie bestimmt für sich selbst und ist zum ersten Mal „größer“ als ihr Partner; das Ende ihrer Beziehung verspricht gleichzeitig die Möglichkeit eines Neuanfangs.

Magdalena Kauz der Hut, das Wasser, die Liebe
Erzählung.
Innsbruck: Kyrene, 2008.
96 S.; geb.
ISBN 978-3-900009-34-2.

Rezension vom 02.06.2008

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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