#Roman

Der Geist der Farbe

Peter Patzak

// Rezension von Anne M. Zauner

Phillippe ist ein Held der verlorenen Anliegen, ein Zerrspiegel der Generation, die im ideellen und politischen Vakuum nach 1968 lebt. Die Zeit der gesellschaftlichen Aufbrüche und Umstürze ist vorbei, der herrschende Kapitalismus aus keiner echten Not geboren. Die Alt-Linken sitzen mit den Geldhaien am selben gut gedeckten Tisch und für esoterische Glaubenssätze ist man sich noch zu schade.

Verweigerung wird Phillippe zur Grundhaltung, das Leben eine zynische, kaltherzige Farce. Da heißt es einmal leitmotivisch: „Welcher Pfeil fliegt für alle Zeiten? Der, der sein Ziel getroffen hat, oder jener, der das Ziel verfehlt hat? An den, der sein Ziel verfehlt hat, erinnert man sich ewig.“

Dabei ist Phillippe ein Mann mit großen Talenten. Seine Fotos waren einst sehr gefragt, von Kennern und solchen, die es gerne wären, gleichermaßen. Doch eines Tages entzieht er sich den nationalen und internationalen Kunstszenen und ihrem oberflächlichen Geschiebe.
Ausgebrannt ist er und schwer krank. Mit dem Egoismus des ums Leben Betrogenen löst er sich aus dem sozialen Gefüge. Er sucht oder sehnt sich vielmehr nach einem bestimmten Blau, das selbst das von Yves Klein an Intensität übertrifft, oder ist es der Sinn des Lebens, 42 vielleicht …

Peter Patzak, Filmemacher, Maler und Autor, Regisseur der legendären, herrlich absurden Kottan-Filme, hat nach eigenen Aussagen acht Jahre an seinem zweiten Roman geschrieben. Auf Bahnhöfen, in Drehpausen, beim Warten. Dabei sind viele kurze Szenen entstanden, die er wie ein Feuerwerk um seine Hauptigur abfackelt. Wien, Sao Paulo, Paris, New York. Orte hetzen vorbei, die Zeiten kommen durcheinander, Nebenfiguren tauchen auf, um im nächsten Augenblick auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden. Dabei kommt die Handlung desöfteren arg ins Schwitzen.

Die rastlose Ziellosigkeit, die Phillippe durch das Buch hasten lässt, wird auch die des Lesers, seine Orientierungslosigkeit durch die Künstlichkeit der Sprache, die sich bei Phillippe zum Manierismus steigert, verstärkt. Peter Patzak entschädigt einen mit sehr plastischen, überbordenden, drastischen und farbenfrohen Szenen. Viel Sex and Crime gibt es zum Drüberstreuen, so schrill und schräg wie bei Quentin Tarantino in seinen besten Zeiten.

Da treten mafiöse Polizisten auf und richten ein blutiges Gemetzel an. Da wird geschändet und geplündert, was das Zeug hält, viel gekotzt, da werden die Frauen an der Größe ihrer Brüste gemessen.
Für Fans des Genres sicher ein Vergnügen. Leider kann sich Der Geist der Farbe nicht wirklich dazu entscheiden, ein cooles, rasantes Roadmovie zu sein. Da spuckt Phillippe nämlich dem Autor in die Suppe; diesem scheint die Distanz zu seiner Hauptfigur zu fehlen und gemessen and der satirischen Überzeichnung, die seine Momentaufnahmen wie bunte Seifenblasen aufblitzen lässt, gerät der Protagonist fast ein wenig fade.

Der Geist der Farbe ist also nichts für zarte Seelen und rosaromantische Herzen, anspruchsvolle Unterhaltungliteratur mit einem etwas gewöhnungsbedürftigen Helden bietet das Buch aber auf jeden Fall.

Peter Patzak Der Geist der Farbe
Roman.
Klagenfurt, Wien: Ritter, 2005.
304 S.; geb.
ISBN 3-85415-369-4.

Rezension vom 04.07.2005

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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