#Roman

Der Feueropal

Brigitte Neumeister

// Rezension von Sabine E. Selzer

Es gibt viele Bücher über Nazi-Zeit und Zweiten Weltkrieg. Tausende und Abertausende Seiten wurden bereits geschrieben. Und doch entdecken Historiker immer wieder etwas Neues, beleuchten Zusammenhänge, stoßen auf bislang unbekannte Urkunden. Und auch literarisch macht der Schrecken nicht alle sprachlos.
Es ist bekannt, dass ein Einzelschicksal betroffener machen kann als Millionen Tote oder Gefolterte. Das Grauen kann sich nicht hinter einer anonymen Zahl verstecken, wenn der, der es erleiden muss, einen Namen hat. Einen Namen, eine Vorgeschichte, eine Familie, Wünsche, Sehnsüchte und Ängste. Der Leser identifiziert sich nun einmal gerne mit den Protagonisten. Und in Brigitte Neumeisters Roman Der Feueropal durchlebt er mit ihnen harte Jahre. Und zittert mit ihnen ums Überleben.

Umspannt wird das Geschehen von einer Rahmenerzählung: Tel Aviv in den späten 60er Jahren. Die Familie Herzfeld ist auf Urlaub im gelobten Land, das sich von seiner heißesten Seite zeigt. Rosa Herzfeld schleppt sich durch die glühenden Straßen und landet nach ein paar Umwegen und neuen Bekanntschaften vor der Auslage eine Juweliers. So weit nichts Ungewöhnliches. Aber dann entdeckt sie in besagter Auslage einen alten Bekannten: einen Ring mit einem leuchtenden Stein, einem Feueropal (wie der Titel des Romans bereits verrät). Ebendieser Ring hat sie beinahe durch den ganzen Zweiten Weltkrieg begleitet, erlangte eine nachgerade mystische Amulettfunktion in ihrem Leben, bis er eines Tages auf mysteriöse Weise verschwand.
Und damit begeben wir uns ein paar Jahrzehnte in die Vergangenheit.

Rosa Zwickl kommt aus armen Verhältnissen und wird bald in noch viel ärmeren leben müssen. Ihre Liebe zu Otto Herzfeld bringt ihr aber zunächst eine Zeit der Entspannung und freudigen Erwartung. Allerdings eine kurze. Anfang 1937 heiraten die beiden, nachdem Rosa zum jüdischen Glauben übergetreten ist, Ende des Jahres erblickt der kleine Benjamin, der einzige Sohn des Paares, das Licht der Welt, und der stolze Vater macht der nicht weniger stolzen Mutter ein besonderes Geschenk: den Ring mit dem Feueropal.

Der jungen Familie sind nur noch wenige unbeschwerte Monate vergönnt, aber trotz drohender Vorzeichen wollen sie Österreich nicht verlassen, ein Land, das es bald nicht mehr gibt. Geschäftsfreunde ziehen sich zurück, Nachbarn beginnen, sie anders zu behandeln, illegale Nazis kriechen aus ihren Schlupflöchern. Unter anderen die Krankenschwester Edda Schlemmer, deren Schicksal bald auf unglückliche Weise mit dem der Herzfelds verknüpft ist. Sie begegnen einander immer wieder auf dem unaufhaltsamen Abstieg der halbjüdischen Familie, deren Mitglieder bald nur noch eine Sehnsucht kennen: diese Zeiten irgendwie zu überleben.

Sie flüchten vor Bombardements und versuchen, sich vor jenen zu verstecken, die sie abtransportieren wollen. Sie werden delogiert und landen auf der „Mazzesinsel“ im zweiten Wiener Gemeindebezirk, dem damaligen Wiener Ghetto. Sie werden verhört und auf Grund einer glücklichen Fügung wieder freigelassen. Sie finden neue Freunde und Bekannte und verlieren sie wieder. Sie finden mutige Helfer und missgünstige Nachbarn, zwischenmenschlichen Terror, Hunger und Angst. Und immer wieder einen kleinen Hoffnungsschimmer – und sei es nur in Form von Galgenhumor.

Die Geschichte beruht auf einer wahren Begebenheit, die die erfolgreiche und mehrfach ausgezeichnete Schauspielerin Brigitte Neumeister mit Details und eigenen Einfällen ausschmückt. Das Buch wird sich wahrscheinlich nicht in späteren Literaturgeschichten finden, aber es ist der Autorin auf jeden Fall gelungen, finstere Zeiten wieder auferstehen zu lassen. Als Mahnung und Warnung. Und es ist ihr gelungen, das Schicksal einer Familie spannend und sprachlich gewandt zu erzählen, damit Geschichte lebendig und nachvollziehbar zu machen und unaufdringlich darauf hinzuweisen, woran wir uns zu orientieren haben: an einer Geschichte der Opfer.

Brigitte Neumeister Der Feueropal
Roman.
Wien: Seifert, 2004.
367 S.; geb.
ISBN 3 902406-11-9.

Rezension vom 03.01.2005

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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