#Roman

Der aufblasbare Kaiser

O. P. Zier, Michael Ziegelwagner, Helmut Zenker

// Rezension von Alexander Kluy

Vielleicht hat ja Michael Ziegelwagner Recht. Erst recht mit seiner Erzählprämisse. Vielleicht ist das skandalöseste Tabu in der politischen (und literarischen) Arena tatsächlich die Idee – und die Idee, daraus einen Roman zu machen -, auf österreichischem Boden nach knapp einhundert Jahren erneut – die Monarchie einzuführen. Dabei waren jene, die sich im Sommer 2011 bei der Grablege Ottos von Habsburg als Anhänger des Habsburgischen outeten, nicht gerade wenige. Zur Überraschung nicht weniger, erst recht nicht weniger demokratischer Medien.

Nun lässt Ziegelwagner, 1983 in St. Pölten geboren, nach dem Journalismusstudium in Wien erst für die Wiener Tageszeitung Der Standard schreibend und seit 2009 Redakteur des in Frankfurt am Main erscheinenden Satiremagazins Titanic, seine Protagonistin Vera Beacher in Wien in den „Legitimistischen Club“ stolpern. Dessen Anhängerzahl ist überschaubar und beläuft sich in diesem Herrenklub (in dem disputiert und auf die gleichmacherisch auf niedrigstem Niveau vor sich hin dümpelnde republikanische Staatsform geschimpft und nach Herzenslust geraucht werden kann) auf ein halbes Dutzend Männer. Deren Profession reicht vom Advokaten über den Studenten zum Medizinalrat. Darunter befinden sich auch ein monarchistischer Antisemit und ein nur Tschechisch sprechender Tscheche, der sich jedoch am Ende als Wunsch-Tscheche entpuppt und seine Sprachkenntnisse angeblich seit drei Jahren einem Sprachlehrbuch entnimmt.

Man merkt: Als Publikum bewegt man sich hier in den Kulissen einer Satire. Und tatsächlich ähnelt das Ganze einer Melange aus scharf beobachteten, zusammenmontierten Gesellschaftsbeobachtungen in gewissen Kreisen und Charles Dickens‘ humoristischem Roman Die Pickwickier von 1836/37. Denn auch Ziegelwagner schildert einen gemeinsamen Wanderausflug, bei dem aus freundlichen Sottisen rasch ein meteorologischer Kollaps erwächst, nämlich ein Starkregenguss, und ein Club-Mitglied abgängig ist. Dieser taucht dann des Nachts, über und über bedeckt und beschmutzt mit den physisch-geologischen Spuren des Wienerwalds, bei Vera auf. Und verletzt sich, so wie sie selber zum Auftakt des Romans auch, um Haaresbreite schwer beim Duschen in der von Veras älterer Schwester perfekt gereinigten Badewanne. Zu diesem Zeitpunkt ist Vera, eher eine trudelnde Existenz mit einer sie unterfordernden Tätigkeit in einem städtischen Amt, in dem sie sich ein Büro mit einem von ihr niemals anders als „der Trottel“ apostrophierten Kollegen teilen muss, fix kooptiertes Mitglied der Herrenrunde.

Zugleich muss sie etwas managen, wessen sie sich am liebsten entzöge, der Organisation des Polterabends ihrer besten Freundin Elisabeth, der zu begehen ist mit anderen, ihr unbekannten Freundinnen der prospektiven Braut. Und diese erweisen sich als sozialer Albtraum: als Society-Schnepfen höchsten Grades, die, um als polyglott und kosmopolitisch zu erscheinen, dummdreist eine Fülle englischer Worte in ihr Deutsch streuen, und das, was sich um sie herum vollzieht, umgehend schnatternd in Assoziation mit Vorgängen und dramaturgischen Handlungssträngen in bestimmten amerikanischen TV-Seifenopern unterschiedlicher Intelligenz- und Härtegrade setzen.

Ziegelwagner führt diese zwei Stränge längere Zeit amüsant nebeneinander her, flicht auch Beobachtungen über Wien und ironisch durchfärbte Vignetten der österreichischen Politik ein, so eine gelungen als misslungen geschilderte öffentliche Rede eines Wiener ÖVP-Bezirksrats auf dem kleinsten Parkplatz der Bundeshauptstadt, und lässt den legitimistischen Zirkel als harmlos schüchterne Runde fallieren.

Am Ende der im Jahr 2011 angesiedelten Handlung – im Sommer jenes Jahres verstarb Otto von Habsburg, was im Buch nur mehr indirekt geschildert wird, weil damit auch das Interesse von Vera, der „Ottoistin“, an weiteren monarchistischen Ambitionen erlöscht – springt die Handlung dann nach Schottland, auserkoren als Ort der Ehelichung. Dort versammeln sich dann die Freundinnen, vorneweg Vera als Trauzeugin, am Vorabend der Heirat in einem Strip-Lokal, das vor Beginn der Show tatsächlich die englische Queen besucht. Vera folgt ihr, wird nach einer seitens Vera zusammengestoppelten Konversation zu einem kleinen Spaziergang von der Monarchin gebeten. Und stellt dieser dann am Ende die entscheidende Frage nach dem Sinn ihrer Existenz als Projektionsfigur. Hier wird das Heitere, sprachlich angenehm Verschnörkelte und unangestrengt Lockere dann ernst und philosophisch, ist dies doch eine Frage, die nicht nur Personen des öffentlichen Lebens zu stellen ist und diese – die im Repräsentieren nur da sein müssen, physische Spielpuppen sind und gerade dafür so geschätzt sind – betrifft, sondern alle nach dem Sinn des Lebens, innerhalb- wie außerhalb von Monarchien und Herrscherhäusern.

Michael Ziegelwagner Der aufblasbare Kaiser
Roman.
Berlin: Rowohlt, 2014.
256 Seiten, gebunden.
ISBN: 978-3-87134-767-2

Verlagseite mit Informationen zu Buch und Autor

Rezension vom 01.03.2014

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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