#Roman

Das Licht ist hier viel heller

Mareike Fallwickl

// Rezension von Veronika Hofeneder

Nach ihrem fulminantem Debüt mit Dunkelgrün fast schwarz im Vorjahr legt Mareike Fallwickl nun in beeindruckender Geschwindigkeit und Qualität ihren zweiten Roman Das Licht ist hier viel heller vor. Dass Fallwickl eine exzellente Erzähltechnikerin ist, hat sie bereits in ihrem ersten Buch unter Beweis gestellt; und auch im aktuellen Roman erweist sie sich wieder als Meisterin auf diesem Gebiet. Aus drei verschiedenen Perspektiven verhandelt sie eines der brisantesten Themen der letzten Zeit: Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt gegenüber Frauen.

Hier verquickt sie Ereignisse faktischer und fiktiver Natur, die sie gekonnt zu einem spannenden Beziehungsgeflecht verwebt. Zu Wort kommen neben dem männlichen Protagonisten, dem Schriftsteller Maximilian Wenger, noch seine Tochter Zoey und die Buchhändlerin Marlen, die beide Opfer sexueller Gewalt werden. Der einstmalige Bestsellerautor Wenger wurde vor Jahren wegen eines Sexualdelikts angeklagt, nun befindet er sich nach seiner Scheidung in einer Sinn- und Schaffenskrise an einem Tiefpunkt seines Lebens. Marlens Briefe, die sie an ihren ehemaligen Liebhaber und Wengers Vormieter schreibt, werden sowohl von Wenger als auch von seiner Tochter unabhängig voneinander unrechtmäßig gelesen und verhelfen seinem neuen Roman zum Durchbruch und Zoey schließlich zum Ausbruch aus ihrem von Erwartungshaltungen anderer bestimmten Leben.

Während die Wenger-Passagen zwar in der 3. Person verfasst sind, durch die erlebte Rede jedoch einen sehr intimen Blick in das verkorkste Innenleben des ehemaligen Erfolgsautors gewähren, offenbart Zoey als Ich-Erzählerin einen sehr direkten Blick in die volatile Gefühls- und Gedankenwelt einer 18-Jährigen. Marlen wiederum tritt als Briefschreiberin in Erscheinung und hat damit zwar die geringsten Redeanteile, dafür aber die eindringlichsten: Wenn sie schreibt, „dass Worte scharf sein können wie Messer“ (19), entspricht das nicht nur Fallwickls eigenen Vorlieben (wie sie in einer ihrer Rezensionen erwähnt), sondern auch ihrer schriftstellerischen Praxis. Ihre drastischen Schilderungen von physischer Gewalt und psychischer Versehrtheit sind so präzise wie kraftvoll und gehen Messerschnitten gleich nicht nur den Romanfiguren unter die Haut: „Ich möchte mir die Zunge abschneiden und sie ausdrücken über dir, damit alles auf dich tropft, was ich nicht sagen kann.“ (171) Doch so brutal, ja schon brachial der Roman an jenen Stellen ausfällt, wo Prügel- und Sexszenen sowie Alkohol- und Drogenräusche stattfinden, so feinfühlig und behutsam zeigt er sich in jenen Passagen, in denen Empfindungen und Gefühle der Figuren beschrieben werden. Fallwickl beherrscht die Klaviatur der verschiedenen Tonhöhen, Tempi und Lautstärken perfekt und versteht es, ihre gesellschaftskritischen Anliegen auch mit der notwendigen Portion an Humor zu versehen. Neben #MeToo geht es im Roman auch um Medienkritik, die zunehmende Unfähigkeit reale (und nicht nur virtuelle) Beziehungen zu führen oder Fragen nach dem richtigen, d.h. instagramtauglichen Lifestyle. So ist der Fleischtiger und Social-Media-Verächter Wenger aufgrund seines machistischen Gehabes natürlich eindeutig kein Sympathieträger, man versteht jedoch seine Kritik am modernen Medienkonsum und teilt sein Unverständnis über permanente Erreichbarkeit und Kommentarsucht. Und beim missglückten Tinder-Date lacht man nicht nur über, sondern auch mit ihm, denn trotz aller Chauvi-Sprüche ist er durchaus auch zu Selbstironie und -reflexion fähig: „Ohne Frau steht ein Mann schön blöd da. Nicht nur wegen der Grundbedürfnisse wie essen und vögeln. Auch innerlich. Gut, ja, vielleicht hat er es ein bisschen übertrieben.“ (129) Schlussendlich fällt seine Selbsterkenntnis allerdings reichlich bescheiden aus und er inszeniert sich am Ende erst recht wieder als der Tröster der ach so unglücklichen Frauen. Fallwickl bricht aber auch mit konventionellen Rollenbildern und Generationenzuschreibungen, der Selbstinszenierung ihrer dem Pilates-Trend und Veganismus-Hype verfallenen Mutter kann Zoey nichts abgewinnen: „Es ist schlimm genug, dass meine Freunde diesen Social-Media-Limbo mitmachen. Aber bei der eigenen Mutter ist es eine virtuelle Apokalypse.“ (68f.) Folgerichtig lässt Zoey bei ihrem Aufbruch in das selbstbestimmte Leben dann auch ihr Smartphone mit allen virtuellen Kontakten zurück und kommuniziert fortan via analogem Brief mit den ihr wirklich wichtigen Menschen.

Sprachlich präzise und bildgewaltig versteht es Fallwickl in Das Licht ist hier viel heller, gesellschaftlich relevante Themen aus vielen Perspektiven und auf sehr eindringliche Weise zu verhandeln, um diese auf höchst unterhaltsame Weise zu einem packenden Roman zu formen. Es ist zu wünschen, dass die Autorin ihr Schreibtempo beibehält und uns möglichst bald wieder in den Sog ihrer Erzählkunst ziehen wird!

Mareike Fallwickl Das Licht ist hier viel heller
Roman.
Frankfurt am Main: Frankfurter Verlagsanstalt, 2019.
384 S.; geb.
ISBN 9783627002640.

Rezension vom 10.09.2019

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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