#Roman
#Prosa

Das L in Laura

Evelyn Schlag

// Rezension von Helmut Sturm

Ist das Erotik, dieses Suchen, für alles, was der andere sagte, die Neugier nach den Briefen mehrere Male am Tag, „diese Turniere und Gesetzbrüche“ , die da über das Internet ausgetragen werden? Aber der Reihe nach.

Es passiert wie bei Petrarca, allerdings nicht in der Kirche, sondern auf einem Poesiefestival in Lissabon. Beim zufälligen Aufeinandertreffen im Hotellift verlieben sich zwei Menschen auf den ersten Blick, wobei Evelyn Schlag die Initiative der Frau überlässt. In der Folge verbringen die verheiratete österreichische Lyrikerin und der englische Poet David gemeinsame Tage in der Stadt am Tejo. Im Bett teilt David mit: „I sometimes sleep with men“. Ob das der Grund dafür ist, dass die beiden nicht miteinander schlafen, wird nicht so recht klar.

Zu Hause in Österreich jedenfalls meldet Laura eine Emailadresse an, und es kommt zu einem höchst intensiven Austausch von Gedanken, Gedichten, Fragen, … Mehrmals täglich mitunter auch nachts wird das Mail-Programm verwendet. Nur wenige Male telefonieren sie miteinander, sie werden in Hunderten von Briefen vertraut miteinander, „als wären sie seit Monaten in einer Raumkapsel miteinander unterwegs, in der sie einander nicht sahen und nur von verbaler Nahrung am Leben gehalten wurden.“

„Petrarcas Laura hatte / keinen Körper gehabt“ – Wir wissen es nicht, ob die berühmten 365 Gedichte an Madonna Laura (benedette sian tutte le carte) ein Ideal oder eine bestimmte Adressatin meinen. War sie nur ein Vorwand für Gedichte? Diesen Verdacht lässt die den Stoff souverän arrangierende Erzählerin Laura äußern, die freilich auch zugibt, dass es um David nicht anders bestellt sein könne.

Die wichtigste Rolle in den Briefen spielen Literatur und Bilder, doch auch die politischen Tagesereignisse bei der österreichischen Regierungsbildung des Jahres 2000 bleiben nicht unerwähnt. („Sie staunte über die Experten unter ihren Kollegen, für die alles sehr klar war.“) Wer mit dem Internet arbeitet, kann die Intensität der Beziehung und die Faszination des Mediums vielleicht nachvollziehen, dennoch ist das Gefühl nicht ganz zu unterdrücken, dass diese Cyberliebe insgesamt doch etwas papieren oder wie es bei Petrarca heißt „tutte le carte“ ist. Hierin scheint mir der wahre Grund zu liegen, warum Laura meinen kann, ihren Mann mit dieser Beziehung nicht zu betrügen.

Immerhin es gibt das Treffen in Lissabon und später eines in Brüssel. Aber zuletzt heißt es doch: „Sie vermißte ihn wie verrückt, ja, und sie wünschte sich jetzt nichts stärker, als ihn sehen zu können, aber es war keine Sehnsucht nach einem Liebhaber, der ihren Körper nehmen würde.“

Freilich hält Evelyn Schlag mit diesem Buch für ihre Leserinnen und Leser sehr vieles bereit. Die Autorin verwendet Elemente der Road novel, Handlungsorte sind Lissabon, das Mostviertel, Wien, New Mexico und New York, Brüssel und ein Dorf in Norddeutschland. Die Globalisierung ist also Fakt. Der Roman ist dem romantischen Konzept der Universalliteratur verschrieben, es haben hier nebeneinander die sehr persönlichen Erfahrungen und die politischen Ereignisse, Liebe und Tod, Jahreszeiten und PC, Poetik und Dichtung, Traum und Leben, Prosa und Poesie Platz. Überhaupt geht irgendwie alles in Kunst auf. Bilder, Gedichte geben die entscheidenden Impulse, Gedichte fassen zusammen und kündigen an. Selbst die Prosa ist voller poetischer Stilelemente. Das könnte so klingen, als wäre das Buch mühsam zu lesen, was aber nicht stimmt, denn es wohnt ihm eine angenehme Leichtigkeit inne, die auch große Literatur auszeichnet.

Das L in Laura.
Roman.
Wien: Paul Zsolnay, 2003.
213 Seiten, gebunden.
ISBN 3-552-0527-8.

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autorin

Rezension vom 22.04.2003

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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