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Das Institut

Lisa Spalt

// Rezension von Johanna Lenhart

„VOODOO IT YOURSELF!®“ könnte so etwas wie der Leitspruch von Lisa Spalts neuem Roman Das Institut sein. Es ist zumindest der Werbeslogan für die „Schluckbildchen“, die vom titelgebenden Institut vertrieben werden: Ein Bild von einer Autorin wird mit einer Handlungsanweisung, die zur Produktion von Geschichten auffordert, versehen und auf Oblatenpapier gedruckt, fertig zum Verzehr. Einmal geschluckt, machen die Bildchen die Schluckenden zu „Produzentinnen und Konsumentinnen Ihrer Geschichte. Endlich sind Sie literarisch autonom! Werden Sie mündig! Geben Sie Ihren Därmen Poesie!“ Vertrieben als Medizinprodukt, werden die Schluckbildchen bei „Bedürfnissen nach spezifischen Formen der Realitätserzeugung angewendet.“

An den Schluckbildchen lassen sich einige der zentralen Punkte des Buches festmachen – es geht um das Spielerische, das Herstellen von Welten, das Erzeugen von Geschichten in einem politischen und gesellschaftlichen Klima, das dem entgegenwirkt und nicht zuletzt auch um die Frage, ob Literatur oder Kunst mit dem Kapital kollaborieren soll oder kann, ob Rentabilität eine Kategorie sein kann oder soll und ob sich dabei selbst treu zu bleiben eine Option ist. Wenig verschlüsselt wird den Lesenden die „sehr provinzielle[] Stadt namens Lands“ präsentiert, die vom Diktator Cramp – den man sich nicht als „eine einzige, geschlossene Figur […], sondern vielmehr als eine vielgestaltige Zuckung“ vorstellen soll – und seinen Agents beherrscht wird. Lands hat sich inzwischen „über die ganze Erde hin ausgebreitet […], bis sie kugelrund und der Inbegriff der Hohlheit geworden ist“. In dieser umfassenden Besatzung der Welt leistet aber ein unbeugsames gallisches Dorf Widerstand: Das Institut für poetische Alltagsverbesserung.

Wer sich diesen Cramp jetzt der Poesie plump feindlich gesinnt vorstellt, irrt. Seine Mittel sind perfider, hat er doch die Trennung von Kunst und Leben per Dekret abgeschafft und sich selbst „das Recht erteilt, morgens die Nachrichten über die Welt zu erdichten, wie es ihm gefällt.“ Die Pippi-Langstrumpf-Politik macht die Kunst also arbeitslos, erfindet selbst Fakten, Realitäten, Verschwörungstheorien. Das Institut stellt sich dem entgegen und „musste danach trachten zu beweisen, dass »Geschichtemachen« kein »Geschichtenmachen« ist. Es musste erreichen, dass die Produktion von Figuren wieder im eigenen »Betrieb« bewerkstelligt wurde.“

Wenn es zu wenig Freiräume für Spiel, Gedankenexperimente und Fiktionen gibt, übernimmt die Politik diesen Part und beginnt, Realitäten zu erzeugen. Es entstehen manipulative Geschichten, Ablenkungsmanöver, Populismus. Geschichten werden also zur (politischen) Realität, wie die Geschichte vom Institut auch Realität ist, ist das IPA doch nicht nur eine fiktionale Institution der Gegenwehr, sondern existiert bekanntermaßen auch außerhalb der Literatur, genauso wie auch ein Großteil des Personals des Romans – temporäre MitarbeiterInnen genannt – von außen ins Buch hineinragen. Höchst zweifelhaft ist dabei natürlich, ob es dieses ‚außen‘ überhaupt gibt. Kunst und Wirklichkeit durchwirken sich gegenseitig, spielen gewissermaßen Pingpong: „Ähnlich ist das IPA, wenn sie gestatten, in unserem Alltag eingeschlossen: eine Erdichtung, die mit dem materiellen Leben interagiert.“

Die Aktivitäten des Instituts – von seinem Manifest über die Erzählung von Cramp und seinen Schergen bis hin zu Berichten über die Tätigkeiten der Abteilung für Mythomanie – werden in lose miteinander verbundenen Prosastücken präsentiert, die sich vielstimmig, wie der Hörspielvorgänger des Romans, um die Verbesserung des Alltags bemühen. Der Text probiert durchaus verspielt dies und das – von unterschiedlicher Typographie über Zeichnungen bis zu verschiedenen Textsorten – ist oft ironisch (oder vielleicht auch nicht) und bleibt trotzdem sehr politisch. ‚Sinn‘ macht das manchmal, manchmal auch nicht unmittelbar und manchmal auf mehr als eine Weise. Schlag auf Schlag und mit viel Witz hagelt es Ideen, Anspielungen und Verweise, die entschlüsselt werden wollen und oft eine kurze Pause verlangen, in der man darüber nachdenkt, was denn hier jetzt (ernst) gemeint ist: Der vieldeutige Schalk sitzt hier nicht nur im Nacken.

Das Institut.
Roman.
Wien: Czernin Verlag, 2019.
168 Seiten, gebunden.
ISBN 978-3-7076-0673-7.

Homepage der Autorin

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autorin

Rezension vom 25.09.2019

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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