#Roman
#Debüt

Das Fell der Tante Meri

Theodora Bauer

// Rezension von Beatrice Simonsen

Das Cover des Buches zeigt eine Frau, deren verführerisch rotes Kleid in der Tür eines Oldtimers klemmt. Ein Bild, das heitere Sommerstimmung, vielleicht einen Liebesroman verspricht. Am Beginn ist alles offen. Von Kapitel zu Kapitel erzählt Theodora Bauer abwechselnd von drei Personen, Ferdl, Anni und Karl. Über die „wahren“ Charaktere der drei lässt sie uns einige Zeit im Unklaren: Sind sie sympathisch, vertrauenswürdig, seriös oder das glatte Gegenteil davon? Und was verbindet diese Personen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben? Erst nach und nach wird man sich dessen bewusst, was in dieser Geschichte klemmt.

Über Ferdl, der die Hauptfigur von den Dreien ist, erfahren wir, dass er von seiner Mutter als Kind dazu gedrängt wurde regelmäßig seine Tante Meri zu besuchen, die für ihn unnahbar und undurchsichtig blieb. Den Kinderschuhen entwachsen, ist er zum Junggesellen geworden, der längst über das heiratsfähige Alter hinaus ist. „Genauer betrachtet ist dem Ferdl schon immer ein bissl fad gewesen in seinem Kopf, aber dazu, dass er was dagegen tut, hat er sich nicht aufraffen können“ (S. 45), heißt es über ihn. Erst als Tante Meri stirbt und ihm ihr nicht unbeträchtliches Vermögen hinterlässt, kommt sein träges Leben in Bewegung.

Nachdem aber nicht linear erzählt wird, springen auch wir zur zweiten Person, Anni, einer flotten Friseuse, die sich keinen Kopf macht über Politik oder andere Dinge, über die man nachdenken könnte. Sowohl Anni als auch Ferdl begleitet ein sprachlich naiver Ton, der das Innere der Personen nach außen kehrt. Anni und Ferdl leben in verschiedenen Epochen – ebenso wie Karl, der Dritte im Bunde. Nur Karl, „der nicht der echte Karl ist“, begleitet eine elegantere Sprache, womit die Autorin beweist, wie locker ihr die verschiedenen Ton- und Zeitebenen von der Hand gehen. Details verraten die Epochen: Anhaltspunkte in Ferdls Welt sind Wahlplakate und Gespräche über Waldheim (es muss sich also um die 1980er-Jahre handeln). In den Kapiteln, die von  Anni handeln, wird mit „Heil Hitler“ gegrüßt, und Karl begleiten wir auf der Flucht nach Südamerika, wo er nach Gesinnungsgenossen sucht.

Theodora Bauer füttert uns häppchenweise mit Informationen, die die Spannung und Neugierde beständig aufrecht erhalten. Bemerkenswert ist, dass sie sich als Jahrgang 1990 auf für sie durchwegs historischem Boden bewegt. Vielleicht ist das der Grund, warum sie manches Mal das Zeitkolorit vernachlässigt. Obwohl es ihr perfekt gelingt, Annis Leidenschaft für einen SS-Mann glaubwürdig darzustellen, wirkt dagegen ihre Lage nach dem Einzug der Alliierten im Gau Oberdonau, wohin sie samt unehelichem Kind verfrachtet wurde, unwahrscheinlich komplikationslos. Das tut diesem ungewöhnlichen Debüt aber keinen Abbruch. Die langsame und kunstvolle Enthüllung der Zusammenhänge macht den besonderen Reiz des Romans aus, weshalb es schade wäre, zu viel vom Inhalt zu erzählen. So viel sei jedoch verraten, dass der Unfalltod von Tante Meri und der „Durchbruch des Denkens“ bei Ferdl einen regelrechten Krimi aus dem Buch macht. Die Nebenfiguren, die nun noch ins Spiel gebracht werden, vervollständigen das Rätselraten: Der Briefträger wird plötzlich zum Mordverdächtigen, und eine geheimnisvolle Ausländerin setzt Ferdl unter Druck.

Das Debüt von Theodora Bauer, die in Wien studiert und im Burgenland lebt, zeigt viel Talent: Der Roman ist klar strukturiert und doch raffiniert durchwirkt, die Weltsicht der handelnden Figuren wird gelungen in Sprache umgesetzt, Inhalt und Charakterzeichnung lassen emotionell teilhaben. Beachtlich, wie die junge Autorin mit Detailreichtum, zartem Humor und großer Einfühlsamkeit die stummen und verschlungenen Wege ihrer Charaktere verfolgt. Bedenklich, dass uns eine Autorin der zweiten Nachkriegsgeneration vor Augen führt, dass der Dämon des Nationalsozialismus immer noch wach ist. Originell, dass die Autorin neben dem Krimi auch noch eine Liebesgeschichte einbaut und uns das Urteil über Gut und Böse überlässt.

Theodora Bauer Das Fell der Tante Meri
Roman.
Wien: Picus, 2014.
200 S.; geb.
ISBN 978-3-7117-2011-5.

Rezension vom 01.02.2014

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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