#Roman

Das falsche Fräulein

Andre Igler

// Rezension von Monika Maria Slunsky

Dass in Wien sprichwörtlich nicht alles ist wie es scheint und Trugschlüsse an jeder Ecke lauern können, zeigt uns André Igler in seinem Kriminalroman Das falsche Fräulein. Der in Wien geborene Autor weiß mit altbekannten Klischees und dem schönen Schein des gesellschaftlichen Establishments umzugehen.
Der Plot: Albin Schwarz ist Oberst im Sicherheitsbüro der Bundeshauptstadt und überwacht als solcher den Privatbesuch des Berliner Bürgermeisters und bekennenden Homosexuellen Uwe Scholz am berühmt-berüchtigten Wiener Lifeball, einer Gala-Benefizveranstaltung zu Gunsten Aidskranker.

 

In der personalen Erzählperspektive sind wir ganz nah an Albin Schwarz dran, wenn er aus Gewohnheit grantelt, ganz wienerisch Kaffee mit Kipferln frühstückt, oder wenn ausgerechnet er, der gar kein Kommissar ist, anscheinend wie nebenbei ungeklärte Todesfälle löst. Die Schwächen des 54jährigen Protagonisten sind sehr menschlich. Computern gegenüber ist er skeptisch, modernen TV-Krimiserien begegnet er mit Zynismus und seine Tochter Leah vermisst er. Sein Unbehagen und insbesondere seine Naivität gegenüber dem Thema Homosexualität sind dagegen unglaubwürdig. Um eine derartige Unwissenheit zu bewahren, hätte Schwarz mehr als drei Jahrzehnte keine Medien konsumieren dürfen – spielt doch die Geschichte in unserer Gegenwart, im 21. Jahrhundert.

Man gewöhnt sich jedoch an Schwarz‘ Überforderung und schmunzelt vielleicht sogar darüber. Die „madonnenhafte“ Polizeipsychologin Frau Prof. Dr. Verena Habersack übernimmt in universitärem Vortragsgestus eine Art Aufklärungsrolle. Der junge Polizeikollege Johannes Kern, von Schwarz salopp als „schwules Beiwagerl“ bezeichnet, soll ihn auf den „neuesten Stand“ bringen. Mit dieser Nebenfigur wird auch gleich die Tatsache thematisiert, dass es homosexuelle Polizisten gibt. Begriffe wie „Choking“ und „Closet Schwuler“ zu erklären macht bestimmt auch für den einen oder anderen Leser Sinn. Den Gerichtsmediziner Hofrat Berlakovic, bester Freund an der Seite des Oberst Schwarz, möchte man keinesfalls missen, ebensowenig den Chef Franzl, dem angesichts des hohen Besuchs aus Deutschland die „political correctness“ bei Begrifflichkeiten zum Thema Homosexualität auf einmal ganz wichtig wird.

Neugierig macht die Szene, als der insgeheim schwule Staatsanwalt aus St. Pölten im Kostüm eines Zimmermädchens tot aufgefunden wird. Freilich klärt sich auch der plötzliche Tod des Sekretärs von Uwe Scholz auf, allerdings wirkt dieser natürliche Todesfall in Zusammenhang mit der eigentlichen Kriminalgeschichte etwas deplatziert.
Von Beginn an warten wir gespannt darauf, mit Schwarz den Lifeball im Wiener Rathaus zu besuchen. Tatsächlich sind wir dann live dabei, hätten uns allerdings einen detaillierteren Einblick erhofft. Der gewonnene Eindruck ist sehr allgemein, sodass es sich um irgendeinen Ball gehandelt haben könnte…

André Igler schenkt Wien nicht nur als Tatort Aufmerksamkeit – dem Hotel Silberne Eule „speziell für Warme“ und Plätzen wie dem Naschmarkt oder einem Heurigen -, sondern auch mit fiktiven Anekdoten: Die Leiche des homosexuellen Staatsanwaltes trägt das ausgeliehene Zimmermädchen-Kostüm, das bereits Peter Alexander in der TV-Komödie „Charley’s Tante“ trug. Dies ist vielleicht etwas an den Haaren herbeigezogen, aber mit einem Augenzwinkern gelesen amüsant. Sachkundiges kommt ebenfalls nicht zu kurz, beispielsweise mit der Heimatadresse der Gerichtsmedizin, der Sensengasse.

Erzählzeit ist die Vergangenheit, wobei zahlreiche Dialoge bzw. Verhöre im Präsens stattfinden. Gemäß dem Genre einer Kriminalgeschichte fehlt der Polizeijargon nicht. Und dann sind da noch die Dialekte – so fällt der eine oder andere im Gespräch ins Wienerische, während der deutsche Bürgermeister nur Berlinerisch spricht. Wir dürfen uns über Ausdrücke wie „Waserl“ oder über den Spruch „[jemand ist] auf der Nudelsuppe daher geschwommen“ freuen. Dagegen steht das „Ick“ von Uwe Scholz, der „keen Oberbürjermeister“ ist, sondern der „Regierende Bürgermeister zu Berlin“.

Für einen Kriminalroman ist Das falsche Fräulein etwas kurz geraten, André Igler bietet jedoch spannende Unterhaltung. Dabei kommen sowohl Wiener Krimifans auf ihre Kosten als auch jene, die der Stadt via Literatur einen Besuch abstatten möchten.

Andre Igler Das falsche Fräulein
Ein Wiener Kriminalroman.
Graz: Leykam, 2011.
182 S.; geb.
ISBN 978-3-7011-7745-5.

Rezension vom 17.05.2011

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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