#Theater

Da Ponte in Santa Fe

Peter Turrini

// Rezension von Karin Cerny

Der Kern des neuen Stückes von Peter Turrini Da Ponte in Santa Fe hört sich wie ein Kantinenwitz an. Stell dir vor, du bist der Autor, aber niemand glaubt dir, und zur Uraufführung deines Stückes lassen sie dich nicht ins Theater. Es könnte natürlich auch der Albtraum jedes Bühnenautors sein. Drinnen läuft dein Stück, aber du mußt draußen warten, verkannt, verleugnet und vergessen. Weil das Stück von Peter Turrini stammt, ist es aber vor allem eine rührselige Geschichte um einen alten heruntergekommenen Außenseiter mit all seinen finanziellen, aber auch sexuellen Nöten.

Nach historischem Vorbild tritt Lorenzo Da Ponte, kongenialer Librettist von drei Mozart Opern (Figaro, Don Giovanni und Cosi fan tutte) auf, dessen Name bei Turrini schon zu Lebzeiten so gut wie tot ist – der echte Da Ponte hat seine letzten Jahrzehnte tatsächlich ziemlich erfolglos in den USA verbracht, bis er 1838 fast neunzigjährig in New York starb, Mozart hat er um beinahe ein halbes Jahrhundert überlebt (nachzulesen ist dies in der ausführlichen Materialsammlung im Angang zum Stück).

Bei Turrini schlägt sich Da Ponte als Brandy-Verkäufer im Wilden Westen durch. Kurz zuvor war das Foyer des Opernhauses noch ein Saloon, aber „die Zukunft gehört der Kultur“, deshalb wurde kurzerhand umgebaut. Die rauen Sitten aber sind die gleichen geblieben. Fehlen die Argumente, was schnell passiert, wird der Colt gezogen. Auf dem Programm steht Mozarts Don Giovanni, das Plakat verspricht großspurig „Don Juan or The man woh seduced more than two thousend women“. In großen Lettern genannt ist der Produzent, klein Mozart. Und Da Ponte, der Librettist, scheint gar nicht auf. That’s Business: Die Künstler zuletzt, Kommerz zuerst. Da Ponte kommt nur bis ins Theaterfoyer, seine Oper sieht er nicht. Wahrscheinlich ist im Foyer aber ohnehin mehr los, Turrini führt ein Panoptikum aus Wild-West-Welt, schmierigen Opern-Direktoren, mafiösen Billeteuren, die zugleich Leibwächter sind, korrupten Journalisten, geilen Politikern und ausgebeuteten Huren vor. Die kitschige, erotisch recht schmuddelig aufgeladene Liebesgeschichte spinnt sich zwischen dem alten Da Ponte und einer 14jährigen Nutte, die Sängerin werden will. Da Ponte setzt für sie einen rührenden Brief für ihren Vater auf, führt ihr ein „seltsames Gerät“ vor, das er in seine Hose steckt, das dazu dient, „die weichlichen Schwächen der Menschen“, vornehmlich der älteren Männer, auszugleichen. Die letzten Worte gehören Dolly Delors, dem Mädchen, mittlerweile eine Greisin, die erzählt, daß am Prager Nationaltheater Don Giovanni gegeben wurde, und auf dem Plakat stand ganz groß: „In Worte gesetzt von Meister Lorenzo Da Ponte, Dichter“. Erst der tote Dichter ist ein guter Dichter. Fin.

Bei der Kritik ist die Uraufführung von Da Ponte in Santa Fe im Rahmen der Salzburger Festspiele und in der Regie von Claus Peymann weitgehend durchgefallen. Die Süddeutsche Zeitung spricht von einem „klaren Uraufführungsmisserfolg“. Bereits bei der Lektüre muß man feststellen: es ist nicht Turrinis bestes Stück. Dramaturgisch lehnt es sich zu sehr an der Mozart-Oper an, die im Hintergrund läuft und die musikalisch immer wieder herüberweht. Von der Grundidee bietet Da Ponte in Santa Fe gerade Stoff für ein Dramolett, für die lange Strecke eines abendfüllenden Stückes trägt die zwar originelle, aber zugleich simple Geschichte jedoch nicht.

Da Ponte in Santa Fe.
Stück und Materialien.
Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2002.
105 Seiten, broschiert, mit Abbildungen.
ISBN 3-518-13429-9.

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Rezension vom 11.09.2002

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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