Ende des vorigen Jahrhunderts initiierte das Magazin „Universum“ eine Serie zu alten und neuen Bräuchen. Man wollte die Zeitschrift damit ein wenig mehr im Lauf der Jahreszeiten verankern und den Lesern nicht mehr ausschließlich zeitlose Themen anbieten. Im Februar 1999 beginnt Ernst Molden, sich des neuen Themenschwerpunkts anzunehmen, und liefert daraufhin über die Jahre seine ganz persönliche Sicht österreichischen Brauchtums.
Und die reicht vom Hasardieren beim Christbaumkauf – „Die besten Bäume gibt es ganz am Schluss“ – über die leidigen Entscheidungsprüfungen, mit denen Jahr für Jahr „faule“ oder „schwache“ Schüler gequält werden, bis zu den hartgesottenen Frühlingsschwimmern, die es kaum erwarten können, dass im Mai endlich die Freibäder ihre Pforten öffnen, damit die Unentwegten sich endlich ins eiskalte Nass stürzen können. Daher auch der Titel der Textsammlung: „Christbaum kaufen, baden gehen“ spielt nicht auf der Südhalbkugel, ist auch keine Anspielung auf Klimaerwärmung, ebenso wenig auf gefrorene Glieder, die nach dem Christbaumkauf im heißen Bad aufgetaut werden müssen, sondern weist einfach auf die ganze Palette möglicher Traditionen hin, die sich von Jänner bis Dezember im Lande entfalten.
Und zu diesen Traditionen gehören Ramadan und Chanukka genauso wie das Jahresfeuer zur Vertreibung des Winters (gepflegt in Vorarlberg, Tirol und Südtirol) oder modernere Gepflogenheiten wie Weltspartag oder Reifenwechsel. Martinigansl und Adventkranz stehen einträchtig neben Kastaniensammlern und Maronibratern, Allerseelen gibt sich mit Halloween ein Stelldichein und die Umzüge zu Fronleichnam oder dem Ersten Mai werden abgelöst von Urlaubsreflexionen: Wo erholt man sich besser, im sommerlich ausgestorbenen Wien oder beim Chianti Speiben im Ausland? Wie auch immer, an einem der ersten Schultage heißt das beliebteste Aufsatzthema dann doch immer wieder: „Der schönste Tag meiner Ferien.“
Ernst Molden versteht es, Informatives und Banales, Außergewöhnliches und Alltägliches gleichermaßen amüsant zu beschreiben, und so entstand aus seinen gesammelten kurzen Artikeln für das Magazin „Universum“ ein recht ansprechendes Bändchen zu einer etwas anderen „österreichischen Landeskunde“. Er spickt Traditionen mit Anekdoten, macht sie lebendig aus (angeblich) eigener Anschauung, verleiht den „Sitten und Bräuchen“ seine persönliche Note.
Christbaum kaufen, baden gehen ist kein Nachschlagewerk. Es erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und meidet wissenschaftliche Ambitionen. Aber es macht ein wenig bewusst, wie sehr auch unser tägliches Leben von Ritualen und Traditionen verschiedenster Art durchzogen ist, auch wenn die wenigsten davon wirklich von den „Urvätern“ übernommen wurden.