Patricia Brooks setzt für ihre Reise das Bukarest Bistro in Szene und in den Titel. Darunter finden sechzig Gedichte Unterschlupf und berichten von einer imaginierten Welt auf mehreren Ebenen. Einmal ist mit dem Bukarest Bistro eine Location benannt, wie wir sie überall auf der Welt vorfinden, wenn jemand der rumänischen Hauptstadt zuliebe ein Café aufgemacht hat. Andererseits ist ein märchenhaft fernes Land damit verknüpft, das zur Anreise animiert, und drittens liefert der Begriff eine erste Befriedigung jener Sehnsucht, wegen der wir aufgebrochen sind.
„Bukarest Bistro // zwei Männer streiten / laut in Zaubersprache / alte Matratzen dösen / an den Zaun gelehnt / in den schwülen Gärten / zwitschern die Zypressen / klebrige Flüche blinzeln / zwischen Mauerritzen hervor / auf dem Seufzer Boulevard / verkommen die Fassaden / ein Stromkabel baumelt lose / über der neonblauen Bar / wir sind glücklich / endlich hier gelandet / und in den Balkan / eingetaucht“ (42)
Was hier exemplarisch mit einer Hommage an die erregte Alltäglichkeit an einem Bistro festgemacht ist, funktioniert auch für Gegenden, Wildnis, Wolken oder Winter. Alle diese Felder sind die Triebfeder, warum wir uns aufmachen, um etwa diesen unheimlichen Saft einer Bewölkung über Rijeka zu bestaunen (21), oder während der Morgenstunde auf die Reisegeschichte von Vögeln zu stoßen, die sich soeben die letzten Flüge erzählen (36).
Oft werden gewöhnliche Orte zu einem Ereignis, wenn sie mit einem „Wir“ besiedelt werden. In den Gedichten wird dieses „Wir“ verwendet, weil es eine Verbindung der Ankommenden mit den schon Dortigen herstellt. Darin steckt der alte Traum, dass man durch Reisen auf Verbündete trifft, die einen mit einschließen in ihr Dasein, während man erregt die ersten Eindrücke von Sprache, Kultur und Wetter abtastet.
Nicht immer gelingt es, mit einem klaren Blick auf die neue Lage die Koordinaten für das nächste Bild zu synchronisieren, oft bleibt eine „Zwielichtzone“ (16), die auf das Tageslicht anspielt oder ein gesellschaftliches Zerwürfnis. Ein ganzes Gedicht widmet sich schließlich diesem poetischen Standpunkt, auf den alles zuströmt und von dem alles wieder abfließt, es ist ein simples Wir. „Wir // wir sagen wir / wenn wir von uns sprechen / und fragen uns manchmal / was es bedeutet“ (38)
Während im Startgedicht „getaway“ die Vorzüge des Abhauens mit Gedichten beschworen sind, nämlich „aussteigen / abspringen / entkommen / entschlüpfen / entwischen / entrinnen / fliehen / fliegen / :davonfliegen“ (3), zeigen sich zu späterer Stunde die Auswirkungen dieser Fluchtbewegung in Form einer weißen, goldenen oder blauen Stunde. Die Lyrik vermag Zeit in Farbe zu verwandeln, sodass sich die empfindsame Seele bloß ausstrecken muss, um sich der Mittagshitze zu ergeben (weiße Stunde), den Schatten der Nacht vorauszuahnen (goldene Stunde) oder sich fröstelnd vorzustellen, dass es fünfzig Arten des Erfrierens gibt (blaue Stunde).
Manchmal sind die Notizen für ein Reisegedicht schon intensiv wie die Reise selbst, sodass es für diesen Tag bei der bloßen Vorstellung bleibt, weggefahren zu sein. „Reisenotizen // Containerschiff Heidi Hanjin / Länge 300 m / 60.000 Ladetonnen / über den Atlantik / […] Wirbelsturm / und nichts passiert“ (52)
Freilich liegen hinter den erträumten Dingen oft auch schlechte Erfahrungen, Katastrophen und flächendeckendes Unglück, das sich mit dem Fluch-Wort „Badland“ umschreiben lässt nach dem Sprichwort: „in der Stadt / schlafen die Fische schlecht“. (56)
Der lyrische Move endet in kalter Jahreszeit, Jänner, Winter, die Farben des Winters, Eislaufen: ein Logbucheintrag befindet, dass die Zeit in Richtung Frost unterwegs ist und vielleicht bald gänzlich eingefroren sein wird.
Patricia Brooks zeigt ihre Bilder vom Reisen, Forschen und Glücklich-Sein hinter vorgehaltener Hand. Zu zerbrechlich sind die Zeilen, wenn sie laut ausgesprochen werden. Im Sinne des Bukarest Bistro geht es oft laut her, die Matratzen liegen am falschen Ort und die Verkabelung ist herausgerissen, aber das Unfertige zeigt, dass alles schon einmal fertig war und wir es nicht mehr restaurieren können. Staunen hilft, wenn wir uns einem Kosmos anvertrauen, den das „Hotel Paradiso“ verspricht, das jäh in Erscheinung tritt.