#Biografie

Berühmt sein ist nichts. Marie von Ebner-Eschenbach

Daniela Strigl

// Rezension von Karin S. Wozonig

Endlich eine zuverlässige, ausführliche und gut lesbare Biographie der wichtigsten österreichischen Schriftstellerin des 19. Jahrhunderts, Marie von Ebner-Eschenbach, geb. Dubsky, 1830–1916. Dass es so lange, nämlich Jahrzehnte, gedauert hat, bis ein solches Buch erscheint, ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass Krambambuli, die Geschichte vom treuen Hund, die auch mehrmals als Filmvorlage diente (zuletzt 1998), noch immer zur österreichischen Schullektüre gehört und dass außerdem Aphorismen von Marie von Ebner-Eschenbach ein fixer Bestandteil von Spruchsammlungen sind und durch das Internet praktisch unendliche Verbreitung erfahren. Damit ist zumindest dieser kleine Teil des Werks von Marie von Ebner-Eschenbach im Bewusstsein von Leserinnen und Lesern verankert.

Aber es hat einen Grund, warum es bis ins Jahr des hundertsten Todestages von Marie von Ebner-Eschenbach gedauert hat, bis eine Biographie erscheint, die dieses reiche, lange Leben in all seinen Facetten, Widersprüchen und Brüchen für ein breites Publikum darstellt: Die Leserinnen und Leser sollten – und wollten vielleicht auch – glauben, dass es nicht viel über die Schriftstellerin zu erzählen gibt. Das wollte Marie von Ebner-Eschenbach schon zu Lebzeiten so und engagierte dafür den Biographen Anton Bettelheim. Auf der Basis sorgfältig ausgewählter und edierter Tagebuchaufzeichnungen und Briefe und mit Hilfe der gezielten Auskunft von Ebner-Eschenbach stellte der 1900 und 1920 zwei Biographien zusammen, die das Bild von der „Dichterin der Güte“ prägten, das mit geringen Korrekturen bis auf weiteres gelten sollte. Güte, Bescheidenheit, Mitleid, humanistisches Ideal, Gesellschaftskritik – steht alles in ihren Werken und das genügt. Oder wie man es im Literaturbrockhaus nachlesen kann: „Mit warmer menschl. Teilnahme schildert sie Adel und Bürgertum Wiens und die Welt der mähr. Bauern in realist. Romanen und Erzählungen, die ihre soziale Einstellung und ihr psycholog. Einfühlungsvermögen dokumentieren.“ Alles Wissenswerte über die Schriftstellerin steckt in ihrer Prosa, dem Dokument ihrer Lebensansicht und ihrer Empathie? Falsch, ganz falsch. Literarische Texte sind immer nur Dokumente ihrer selbst, allenfalls noch eines wie auch immer ausgeprägten literarischen Talents.

Jetzt legt also die Literaturwissenschaftlerin und Kritikerin Daniela Strigl eine neue, materialreiche Biographie vor. Und sie macht gleich am Anfang klar, dass es viel zu sagen gibt über Ebner-Eschenbach und dass das auch so wäre, wäre man ausschließlich am Werk interessiert. Denn Krambambuli ist eben nicht nur Zeugnis dessen, dass Marie von Ebner-Eschenbach viel von Treue gehalten hat, sondern eine Geschichte, die „ebenso vielschichtig wie kompakt komponiert“ (S. 13) ist. Ein nüchterner Blick, den Daniela Strigl aus persönlichen Gründen („Krambambuli gehörte zu meinen frühesten Leseereignissen.“ [S. 12]) und aus philologischem Interesse auf das Ende wirft, verdeutlicht, dass schon bei dieser berühmtesten aller Erzählungen Marie von Ebner-Eschenbachs mehr zu holen ist, als eine schlichte Moral von der Geschicht‘, denn: „Nichts wird wieder gut: Der Wilderer ist tot, der Hund ist tot, der Jäger trauert um ihn.“ (S. 13) Und dann konstatiert die Verfasserin der Biographie: Das Werk der Marie von Ebner-Eschenbach „hält der strengsten Prüfung stand“ (S. 13), was sicher eine sehr gute Begründung dafür ist, sich mit dessen Urheberin zu befassen.

Daniela Strigl legt die Biographie klassisch, nämlich chronologisch, an. Das ist lesefreundlich und hilft dabei, die wahrlich nicht stringente Entwicklung der Schriftstellerin von ihren mehr oder weniger erfolglosen dramatischen Versuchen bis zur schon zu Lebzeiten leicht überlebt wirkenden Ikone der österreichischen Literatur nachvollziehbar zu machen. In dem Vorwort, in dem die Verfasserin ihre persönlichen, die kritischen und die literaturwissenschaftlichen Gründe anführt, sich mit Marie von Ebner-Eschenbachs Leben zu beschäftigen, findet sich auch der Hinweis auf eine grundsätzliche methodische Entscheidung Strigls in Bezug auf die Interpretationsverpflichtung, die mit jeder biographischen Auseinandersetzung verbunden ist. Wir können nie genug über das Leben eines Menschen wissen (meistens nicht einmal über das eigene), um die „wahren“ Gründe und Motive für Handlungen und Entscheidungen herauslesen zu können. Wir müssen ableiten und auslegen, eben interpretieren, vor allem dann, wenn es sich um einen Menschen wie Marie von Ebner-Eschenbach handelt, dem das Fremdbild sehr wichtig war. Daniela Strigl begegnet der Herausforderung der biographischen Interpretation mit einem zeitgemäßen Instrument: „So umstritten die Psychoanalyse als theoretischer Ansatz auch heute scheinen mag: zur Erhellung so manches dunklen Winkels im Seelenleben einer Zeitgenossin Sigmund Freuds bietet sie doch taugliche Mittel. Insbesondere hat der Arzt Georg Groddeck (1866-1934) ein Denkmodell entwickelt, mit dessen Hilfe sich scheinbar ‚unschuldige‘ Lebensäußerungen einer Schriftstellerin vielleicht besser verstehen lassen, die alles im Sinne der Moral ihrer Zeit als gefährlich wahrgenommene Sinnliche konsequent abgeblockt, verdrängt und erfolgreich literarisch sublimiert hat. […] Ebner-Eschenbach da und dort psychoanalytisch zu betrachten, dient nicht zuletzt dem Versuch, ihrer Desexualisierung, Verharmlosung und literarhistorischen Seligsprechung entgegenzuwirken.“ (S. 19) Der Blick durch Groddecks analytische Brille wird von Strigl dann bei ihrer das Leben und das Werk verknüpfenden Darstellung eher sparsam angewandt, was durchaus sinnvoll ist und sie davor bewahrt, in eine Lektüre zu kippen, in der zum Beispiel eine Zigarre nicht einfach nur eine Zigarre sein kann.

Im Prolog des Buchs von Daniela Strigl erfahren wir, dass und wie die 1830 geborene Marie von Ebner-Eschenbach um 1900 an einem Ziel angekommen ist, das ganz allgemein als literarischer Ruhm bezeichnet werden könnte. Und wir erfahren, dass es keineswegs eine ausgemachte Sache war, dass das jemals passieren würde. In Strigls Biographie wird deutlich, gegen welche Widerstände dieses Schriftstellerinnenleben geführt wurde. Deutlich wird aber auch, dass Ebner-Eschenbach sich bewusst war, dass sie die endlich gezollte Anerkennung (anständige Honorare, Auszeichnung durch Kaiser Franz Joseph höchst persönlich, Ehrendoktorat der Universität Wien) durchaus verdient hatte, ihr dementsprechend die jahrelang ablehnende Haltung ihrer Familie und der Kritik wohl auch sehr ungerecht erscheinen musste. Dieses Wissen um das eigene Talent verschwindet bei Marie von Ebner-Eschenbach oft hinter einer paradoxerweise ostentativen Bescheidenheit. Strigl zeigt, dass einige ihrer Gesprächspartner, wie z. B. Paul Heyse, sich gegen Ebner-Eschenbachs Unterwerfungsgesten verwahrten (S. 269) und dass der „weiblich-unterwürfige Schülerinnen-Gestus“ (S. 244) ein Zug Ebner-Eschenbachs ist, der sich sowohl aus dem Bedürfnis nach männlichem Zuspruch als auch aus echter Dankbarkeit und Bewunderung speist. Dieses Sichkleinmachen hat die Außensicht auf die Qualität ihrer literarischen Arbeit allerdings mitgeprägt und ein Blick auf Ebner-Eschenbachs eigene Bewertung ihrer Texte entkräftet vielleicht so manches Vorurteil, z. B. das von der beschaulichen Erzählerin. Ebner-Eschenbach arbeitet hart, um ihren eigenen Qualitätsstandards zu entsprechen und will es (wie im Übrigen auch die Biographin) nicht zu billig geben. Das Wohlgefühl ihres Publikums steht nicht im Mittelpunkt ihrer literarischen Tätigkeit.

Teil 1 der Biographie („Das Waldfräulein“, 62 Seiten) befasst sich mit Marie Dubskys Kindheit und Jugend und endet mit ihrer Heirat 1848. Zur Mädchenerziehung im seit 1843 gräflichen (davor freiherrlichen) Haus Dubsky gehörten das Schauspiel, der Theaterbesuch und das Verseschmieden nach Vorlage, alles übliche Betätigungen zur Ausbildung sozialer, reproduktiver Fertigkeiten adeliger Fräuleins, bei Marie Dubsky aber eine „Talentpflege wider Willen“, denn „die Bekanntschaft mit französischer und deutscher Literatur, vor allem aber mit dem Theater, regte das Mädchen lebhaft zu eigener Produktion an“ (S. 55). Daniela Strigl nimmt die Gelegenheit wahr, das einseitige Bild des Ehemanns (und Cousins) Moritz Ebner von Eschenbach (1815-1898) als „Militarist und ältlicher Langweiler, konservativ, dominant, ehrgeizig und egoistisch, kurz als der Mann, der seiner Frau die Schriftstellerei verleidet hat“ (S. 71) ein wenig zu korrigieren, denn er war das einzige Familienmitglied, das „die poetischen Bestrebungen der Baronesse Marie ernst nahm“ (S. 57). Überhaupt, die Familie: Sie spielt nicht nur eine unrühmliche Rolle bei der Ausbildung von Maries Talent, sie ist auch später noch dauernd mit ihren hinderlichen Ansprüchen präsent. Außerdem ist sie ein bisschen unübersichtlich. Der auf den inneren Buchdeckeln abgedruckte Stammbaum hilft zum Glück dabei, den Überblick über Halbgeschwister, Nichten und Neffen der Schriftstellerin zu bewahren.

Teil 2 der Biographie („Eine Spätgeborene“, den Zeitraum 1848 bis 1875 darstellend und 116 Seiten umfassend) handelt vom Beginn wichtiger Freundschaften, von der durch äußere Widrigkeiten nicht zu stoppenden Schreiblust und von Turbulenzen im Liebesleben von Marie von Ebner-Eschenbach, letztere als plausible Spekulation präsentiert. Es sind die Jahre der Enttäuschungen was ihre Dramen betrifft und der Probleme mit ihren Standesgenossinnen, die der (1858 anonym publizierte) Erstling Aus Franzensbad ihr bringt, wobei Aus Franzensbad „bei aller jugendlichen Prahlerei“ ein Text „voll Esprit und Eigensinn“ ist, „modern in seinem Ethos wie seiner Komposition, man könnte auch sagen: postmodern, geschrieben mit sichtlicher Lust am Spiel mit der Form“ (S. 115). Wichtige biographische Dokumente aus dieser Zeit sind die bisher unveröffentlichten Briefe an die Lyrikerin Josephine von Knorr. Daniela Strigl macht in ihrer Biographie guten Gebrauch von dieser Quelle und die bei De Gruyter für Juli 2016 angekündigte kritische Briefedition darf mit Spannung erwartet werden.

Später wird sich Marie von Ebner-Eschenbach daran erinnern, dass es in der Zeit ihrer literarischen Anfänge kein „’Pförtchen, das zu schriftstellerischem Ruhme führen kann’“ gegeben habe, an das sie nicht gepocht hätte (S. 95). Kritik nahm sie ernst und lernte daraus, nachhaltig entmutigt wurde sie von ihr nicht. Neben den berechtigten Einwänden gegen manchen dramatischen Versuch traf Marie von Ebner-Eschenbach auch auf Ablehnung, die sich auf ihre Person (Frau und adelig) bezog: Eine dramatisch dilettierende Baronin hatte bei manchem Kritiker von vornherein keine Chance. Dazu kam der Widerstand ihrer Familie, die keine Schriftstellerin in ihren Kreisen haben wollte, schon gar keine, die historische Versdramen verfasste und ans Burgtheater strebte, mithin Blaustrumpf-Attitüden zeigte. Ihr Lustspiel Das Waldfräulein, aufgeführt am Stadttheater, wird harsch kritisiert, ihr Einakter Doctor Ritter gefällt aber sogar ihrem Vater – der allerdings zu dem Zeitpunkt nicht weiß, dass das Stück von seiner Tochter stammt. Nach vielen Jahren, in denen Marie von Ebner-Eschenbach versucht, mit ihren Dramen die Bühne zu erobern, lautet das Fazit: gescheitert. „In 25 Jahren dramatischer Produktion hatte Marie von Ebner-Eschenbach sich trotz hartnäckiger Bemühung weder als Tragödien- noch als Lustspieldichterin durchsetzten können.“ (S. 176) Daniela Strigl berücksichtigt die äußeren Hindernisse (missliebige Kritik, misstrauische Familie), kommt aber auch zum Schluss: „Aus heutiger Sicht tragen Ebner-Eschenbachs historische Versdramen […] den Stempel des Epigonentums. In ihren Gesellschaftsstücken und Lustspielen tritt eine gewisse Überdeutlichkeit des politisch-moralischen Anliegens zutage.“ (S. 176) Zu diesem Misserfolg als Bühnenautorin kommen gleichzeitig („im Leben ist immer alles gleichzeitig, was in der Erzählung in mehr oder weniger saubere Zöpfe entflochten werden muss“ S. 126) persönliche Verluste und emotionale Verwirrungen. Es ist außerdem die Zeit, in der von ihr und ihrem Mann erwartet wird, dass sie Kinder bekommen, was nicht passiert. Und es ist eine Zeit der gesellschaftlichen Umbrüche, u. a. durch den Börsenkrach. Die Jahre, die die Biographin als „’mittlere‘ Schaffenszeit“ bezeichnet (S. 187), hätten durchaus dazu führen können, Marie von Ebner-Eschenbach endgültig zu entmutigen, de facto geht es aber von nun an bergauf mit ihrer literarischen Karriere.

Der dritte und mit 152 Seiten umfangreichste Teil der Biographie ist mit „Berühmtsein“ betitelt und berichtet von der Phase in Marie von Ebner-Eschenbachs Leben, in der aus ihrer schriftstellerischen Berufung endgültig auch ein Beruf wird. 1875 erscheinen Erzählungen und 1876 der heute noch beeindruckende Roman Božena bei Cotta. 1880 wird Lotti die Uhrmacherin in der Deutschen Rundschau veröffentlicht, der „wichtigsten Plattform des Bürgerlichen Realismus“, was Marie von Ebner-Eschenbach den „endgültigen Durchbruch“ (S. 243) und außerdem die Verbindung zu ihrem Verleger Julius Rodenberg brachte, dessen Urteil in der Folge immer wichtig für sie sein wird. Sein Einfluss und der ihrer Freundin Ida von Fleischl-Marxow auf Ebner-Eschenbachs Arbeit ist in dieser Biographie gut belegt und dargestellt. Außerdem erfahren wir von Quellen der Inspiration für die Erzählungen, von persönlicher Betroffenheit und genauer Beobachtung, die Marie von Ebner-Eschenbach für den Rest ihres Lebens Stoff für ihre Erzählungen und Romane liefert, von denen viele es wert sind, wieder gelesen zu werden. Bei der Entstehung des Romans Das Gemeindekind ist Ida von Fleischl-Marxow besonders beteiligt und Daniela Strigl bemerkt: „Die Beziehung zwischen den beiden Frauen war eine symbiotische, und sie ging weit über die literarische Sphäre hinaus.“ (S. 295) Im Juni 1899 stirbt diese „Freundin, Vertraute, Mentorin, Lektorin, Anregerin – und Tarockpartnerin“ (S. 295) und eine Ära im Schaffen Ebner-Eschenbachs geht zu Ende. Sie ist berühmt, kann in ihren Texten alle Themen behandeln, die ihr wichtig sind, sich satirisch über den Literaturbetrieb äußern und ist als Beiträgerin und Unterstützerin gefragt. Sie ist bei ihrer großen Leserschaft beliebt und eine sechsbändige Ausgabe Gesammelte Schriften, „der erste Schritt auf dem Weg zum Klassiker“ (S. 318), ist erschienen. Jetzt beginnt das letzte Kapitel der Biographie, „Altweibersommer“, 1899-1916, 58 Seiten.

Marie von Ebner-Eschenbachs siebzigster Geburtstag wird in Wien „mit allem Pomp“ gefeiert (S. 357) und zwei Biographien erscheinen: die erste, quasi autorisierte, von Anton Bettelheim und eine von Moritz Necker, der seine biographische Würdigung mit Auszügen aus dem Drama Marie Roland und einigen Gedichten Ebner-Eschenbachs ergänzt. 1901 erscheint der merkwürdige Künstlerroman Agave, „die erste große Arbeit, die Ebner-Eschenbach ohne das prüfende Auge ihrer Freundin Ida veröffentlicht hat“ (S. 369). Meine Kinderjahre (1906) „breitet […] das Drama des begabten Kindes Marie in existentieller Eindringlichkeit aus“ und es „offenbart sich eine Familie ohne Verständnis für ein ununterdrückbares Talent“ (S. 378). 1908 erscheint Das tägliche Leben, einer der „kompromisslosesten, ‚modernsten‘ Texte Ebner-Eschenbachs“ (S. 390), in dem die Protagonistin nur einen Ausweg aus der patriarchalen Einhegung sieht: Sie erschießt sich, und das am Vorabend ihrer silbernen Hochzeit. Nun könnte man meinen, spätestens nach dieser Erzählung sollte die „Dichterin der Güte“ ein bisschen differenzierter gesehen werden, aber „die Persona der Dichterin als kollektives Eigentum der Leserinnen und Leser [war] schon so weit verfestigt, dass Widerhaken und Brüche gar nicht mehr wahrgenommen wurden.“ (S. 393) Anfang 1914 beginnt Ebner-Eschenbach ihre Arbeit an Meine Erinnerungen an Grillparzer, in denen sie sich als „kluge Verehrerin“ (S. 399) erweist, die auch dem Beitrag der „ewigen Braut“ Kathi Fröhlich zum Gelingen des Dichterdaseins Respekt zollt. Zu Beginn ihres Todesjahres (1916) stellt Ebner-Eschenbach noch die Prosasammlung Aus einem zeitlosen Tagebuch zusammen, die Veröffentlichung dieser beiden Texte erfolgt posthum.

Es ist bei der linear erzählten Lebensgeschichte eines toten Menschen nicht schwer zu erraten, was im letzten Kapitel stehen wird, eine antizipierende Lektüre ist fast unvermeidlich. Der Weg dorthin, im konkreten Fall über vierhundert Seiten lang, besteht jedoch wie oben ausgeführt aus der im besten Fall kunstvollen Entflechtung eines komplexen Gebildes und die gelingt der Verfasserin dieser Biographie sehr gut. Gelegentlich, an den unübersichtlichen Kreuzungen der Erzählstränge und nach dem ersten, abwegig erscheinenden Satz, stelle ich mir die Frage, wo Daniela Strigl uns wohl hinführen will. Aber die Verfasserin schafft es dann doch immer, ihre Gedankengänge erhellend zu verknüpfen.

Stellenweise erscheint es, als habe sich Strigl den Stil Ebner-Eschenbachs anverwandelt, was durchaus charmant wirkt. Das Buch ist gut redigiert, Vergesslichkeiten oder unnötige Wiederholungen, die bei einem solchen Projekt leicht vorkommen könnten, gibt es nicht, und es ist interessant bebildert. Zum literaturwissenschaftlichen Instrumentarium ist zu sagen, dass die relativ geringe Zahl von insgesamt siebenhundertsiebenundvierzig Anmerkungen (kapitelweise als Endnoten eingefügt) erreicht wurde, indem in einzelnen Anmerkungen mehrere Quellen zusammengefasst wurden. Neben einer chronologischen Übersicht enthält diese Biographie ein ausführliches Literaturverzeichnis und ein Personen- und Werkregister. Aus dem Zeitlosen Tagebuch stammt das Zitat, mit dem Daniela Strigl ihre Biographie enden lässt: „’So manches papierne Denkmal hat mehr Bestand als ein Denkmal von Erz.’“ (S. 414) und ich vermute, dass auch diese Biographie nachhaltig sein wird.

Daniela Strigl Berühmt sein ist nichts. Marie von Ebner-Eschenbach
Eine Biographie.
Salzburg: Residenz Verlag, 2016.
440.; geb.; 24 Seiten Bildteil.
ISBN 9783701733408.

Rezension vom 05.04.2016

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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