#Roman

Bad Fucking

Kurt Palm

// Rezension von Elena Messner

Als Provinz-Polit-Krimi-Groteske, als schrägen österreichischen Krimi, als bizarres österreichisches Sittenbild, bitterböse, grelle, makabre Horrorposse, beschwingte Krimisatire und Provinzposse, als wilde Mischung aus Heimatroman, Politsatire und subversivem Krimi hat die österreichische Presse das neueste Buch von Kurt Palm bezeichnet, das sehr bewusst mit all diesen Elementen spielt.

Kurt Palm selbst meint in einem Interview, er habe nur die „Wirklichkeit bis zur Kenntlichkeit“ entstellt, es handle sich bei seinem Buch um keinen klassischen Krimi, sondern um ein Buch, in welches er Elemente des Heimatromans, des Arztromans, der Provinzposse gesteckt habe. Palm erzählt auch, dass der Roman aus einem Konzept für eine ORF-Serie entstanden sei, die viele Jahre nach Twin Peaks den Wahnsinn in der österreichischen Provinz – der oberösterreichischen – abbilden sollte. Leider sei daraus nie ein Film geworden.

Die Handlung ist in der Gegenwart angesiedelt, in einem abgelegenen Ort mit dem stimmungsvollen Namen Bad Fucking, das mit dem realen österreichischen Ort Fucking wohl so einiges aber (hoffentlich!) bei weitem nicht alles gemein hat. Die Handlung ist in viele Nebenstränge aufgesplittet, die alle irgendwie um folgende Ausgangslage gruppiert sind: Vitus Schallmoser, ein Sonderling des Ortes, wird tot in seiner Wohnhöhle aufgefunden und Maria Sperr, die Innenministerin Österreichs, ist spurlos verschwunden. Niemanden scheint der Tod Schallmosers ernsthaft zu kümmern, schon gar nicht die lokale Polizei/Gendarmerie, aber auch nach der Innenministerin wird nicht gerade rege gesucht, vielmehr: Informationssperre, nur eine (inoffiziell und unter Verschwiegenheitspflicht engagierte) Wiener Bundeskriminalbeamtin, Camilla Glyck, bekommt den Auftrag, nach der verschwundenen Innenministerin zu suchen, die (Da lässt sich ein Motiv erahnen! Aber führt das tatsächlich zum Täter?) als Bauunternehmerin in Bad Fucking quasi „nebenberuflich“ ein Asylantenheim errichten lassen wollte. Die Handlungsstränge drehen sich auch noch um geheimnisvolle Höhlenmalereien, die Finanzkrise, korrumpierte Lokalpolitiker, derer es neben der Innenministerin so einige gibt, sowie die mystische Ankunft von Aalen in dem Ort.

Traurig ist denn doch, dass ausländische Österreicher oder Ausländer ausschließlich als Kriminelle vorkommen, auch wenn ihnen teilweise ein wenig Innenleben zugestanden wird. Da gibt es die (sexy) serbische erpresserische Putzfrau Jagoda Dragicevic, die den örtlichen Zahnarzt wegen Nacktfotos erpresst, die (sexy) tschechische Einbrecherin Ludmilla Jesenská, die über Leichen geht und mit „vollem“ Körpereinsatz hinter ihrem Geld her ist, oder die (nicht so sexy, weil der Innenministerin ähnlich, dazu mit Kopftuch) tschetschenische Terroristin, deren Asylantrag abgewiesen worden ist und die mit ihrem Kumpanen zungenherausschneidend und politische Feinde abknallend durch die Welt läuft. Aber diese Figuren fallen im Gesamtkontext gar nicht so besonders auf, denn eigentlich hat hier so ziemlich jeder Dreck am Stecken. Ziemlich rasch wird gestorben in dem Roman, und die Leichen werden nicht gerade professionell entsorgt. Von einer sorgfältigen polizeilichen Untersuchung nach den Vorfällen kann schon gar keine Rede mehr sein.

Neben all dem wird noch so ziemlich alles, was sich für eine gute soap-opera mit morbidem Einschlag gehört, in den Krimi gestopft: Unfälle, Erpressungen, Entführungen, späte Geständnisse, Abschiedsbriefe, Racheakte, Geheimnisse aus der Vergangenheit, die einen immer wieder einholen, Selbstmorde, Vergewaltigung, und dann: Liebe, besser Leidenschaft, nein, besser Fucking. Inhaltlich braut Palm also ordentlich was zusammen, führt die Stränge auseinander, zusammen, auseinander, aneinander vorbei, lässt sie schlussendlich meist versanden (worüber sich dann auch die eine oder andere Romanfigur selbst beschweren darf, soviel Metafiktion darf schon sein).
Dass es sprachlich dabei nichts Aufregendes gibt, geht zum Glück im Chaos unter. „Zwangsoriginell“, so gibt der Buchumschlag zu, sei Kurt Palm, sowie „durchgeknallt und peinlich“, und so manchen sehr gewollten Witz heißt es einfach überlesen, was besser funktioniert, wenn man sich auf die reine Handlung konzentriert, die grotesker kaum noch sein könnte und trotz streckenweise großer Bemühtheit bis zum bitteren Ende an den Nerven des Lesers/der Leserin nagt: denn, auch das meint der Buchumschlag, zum Glück ist Kurt Palm auch noch schräg, brillant, irrwitzig, unterhaltsam und grenzgenial, was man mal einfach so stehen lassen kann, auch wenn es nicht für den ganzen Krimi gilt.
Alles in allem also – trotz allem, doch, ja – ein Vergnügen.

Kurt Palm Bad Fucking
Kriminalroman.
St. Pölten, Salzburg: Residenz, 2010.
256 S.; geb.
ISBN 978-3-7017-1534-3.

Rezension vom 29.04.2010

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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