#Roman
#Prosa

Auf und ab, trab, trab, trab

Ilse Kilic, Fritz Widhalm

// Rezension von Armin Baumgartner

Das Leben ist kein Ringelspiel – und doch macht der bereits achte Teil des von Ilse Kilic und Fritz Widhalm 1999 ins Leben gerufenen und schon damals bei Edition ch erschienenen Verwicklungsromans angenehm schwindelig.

Es geht wie im Titel versprochen nämlich ganz schön auf und ab, in lockerem Trab durch das Leben zweier Schriftsteller, durch deren Höhen und Tiefen, in loser Chronologie vorbei an biografischen Stationen, durch Zweifel und Hoffnung. Und diese Reise hält auch ganz schön auf Trab. Denn die beiden im normalen Leben als Schriftsteller tätigen Künstler kommen auch in dem vorliegenden Buch – wie soll es anders sein – wie gewohnt als Pseudonyme vor. Die Protagonisten des Bandes hingegen, Jana und Naz, sind wiederum die im Text real existierenden Gestalten, die sich über ihre eigenen Erfinder, Ilse Kilic und Fritz Widhalm, hin und wieder selbstreflexiv auslassen. So verwickelt sich die an sich reale Lebensgeschichte eines Schriftstellerpaares nun schon durch zwei Jahrhunderte hindurch in fließenden Übergängen in eine Fiktion:

„ja, und gerade ist heute, der 16.12.2011.
ja, und natürlich verwickeln sich der naz und die jana auch gegenseitig und gemeinsam weiter und weiter“. (S. 75)

Der Roman als Leben und das Leben als Kunst, so könnte man Emmett Williams sinngemäß zitieren, darzustellen, zu leben, zu produzieren, das ist das Konzept dieses Buchs. Auch Erzählungen von Erinnerungen tragen sich schlussendlich in der Gegenwart zu. Möglicherweise ist es nicht nur ein Fluxus-Buch, sondern überdies sogar ein kleines Schlüsselwerk der österreichischen Gegenwartsliteratur. Denn die Lektüre verrät nicht nur mehr oder weniger intime Details aus dem Alltag der beiden Autoren, worüber sich sonst eifrige Literaturwissenschaftler hermachen, sondern fungiert auch als Vermächtnis für die Nachwelt im biografischen Sinne sowie als Dokument der zeitgenössischen Literatur- und auch Punkszene. Darüber hinaus – und dies nur im formalen Sinn – ist der Verwicklungsroman auch ein Spiel mit den Genres, gelten Fortsetzungsromane im Allgemeinen doch eher als etwas weniger gehaltvoll, was man von diesem Buch wohl nicht sagen kann.

Kilic und Widhalm unternehmen hierin den Versuch, ihr Leben aufzuschreiben, das eigentlich aus dem Schreiben besteht, und wie es bei Erinnerungen so üblich ist, treten diese nicht chronologisch zutage, sondern entfalten sich an Schlagwörtern, an Bildern, Musik oder Gerüchen. Dies ist allein schon eine schwierige Aufgabe, will man nicht in anekdotisches Otto-Schenk-Erzählen verfallen. Jana und (der schöne) Naz entführen vielmehr wie Spielzeugfiguren die Leserinnen und Leser in die Zeit der Gassergasse oder des damals noch jungen Café Merkur, in die Jahre, als Fritz Widhalm bei einem Bauunternehmen arbeitete und sich erst Respekt verschaffen kann, als er in dreizehn Metern Höhe ein vier Meter langes Kantholz vor den Augen seiner Kollegen von einem Ende zum anderen tänzelte – ungesichert, wohlgemerkt. Man erfährt von den Gelegenheitsjobs der Ilse Kilic, die sich als Taxifahrerin verdingte, wobei sie bei ihrer ersten Fuhre eine Stunde lang warten musste, bis der erste Fahrgast das Auto bestieg: ein Kind, das in die Jörgerstraße 32 gebracht werden wollte. Bemerkenswert sind auch die Schilderungen von Ilse Kilics Anfängen im Büro der Grazer Autorinnen Autorenversammlung, als sie Aussendungen kuvertierte und sich so ein paar Schillinge dazuverdiente. Details um Details verknüpfen sich „moltoflotto“ weiter und weiter, verstricken und verwickeln sich, und unter all den Erinnerungen tauchen auch so manche Zeitschriften (u. a. „testcard – beiträge zur popgeschichte“) auf, denn „[…] auch das weiterempfehlen von lesenswerten druckwerken ist durchaus eines der vielen ziele, denen sich der verwicklungsroman verschrieben hat“ (S. 29) sowie Künstlerkollegen wie zum Beispiel Christine Huber, Gründerin der Edition ch, oder Otto Grabner, der einstige Lebensmensch von Ilse Kilic. Und auch der Tod nimmt durch die zweifache Erkrankung Ilse Kilics einen zentralen Stellenwert im Text ein, vor allem aber der Umgang mit ihm.

Auf und ab, trab, trab, trab ist ein schwungvoll gearbeitetes Kaleidoskop aus Erlebnissen und Erinnerungen, aus Wünschen und Sehnsüchten, Ängsten und Sorgen als auch Macken und Marotten zweier Sprachkünstler, kurz aus ihrem Leben, ihren Ansichten und (devianten) Überlebensstrategien: „ruhestand, sagt der naz, ruhestand ist mir beim arsch lieber als dieses eng- und blödstirnige wachstumsdenken“ (S. 101). – Womit er wohl nicht unrecht hat, der „schöne naz“. So darf man gespannt sein auf weitere Teile des Verwicklungsromans in selbiger verdienter Herausgeberschaft, denn wie heißt es so schön auf Seite 103: „oh, lasst nicht alle hoffnung fahren!“

Auf und ab, trab trab trab. Des Verwicklungsromans achter Teil.
Wien: edition ch, 2013.
104 Seiten, broschiert.
ISBN 978-3-901015-56-4.

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autor*in

Rezension vom 01.08.2013

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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