#Roman

Auf staubiger Straße

Martin Kolozs

// Rezension von Angelo Algieri

In Piedra Pintada, einem Dorf im Nordwesten Argentiniens, ist eine Kinderleiche gefunden worden. Der Kommissar und Inspektor der Bundespolizei Pedro Guzman und sein Unterkommissar Mario Ernesto Rozenblat aus der Provinzstadt San Salvador übernehmen die Ermittlungen. Nach einer beschwerlichen Autofahrt in die staubig trockenen Hochanden, wo ein Handyempfang nicht möglich ist, kommen sie am Tatort an. Señor Escanilla, der eine kleine Lamafarm betreibt, hat die Leiche auf seinem Grundstück gefunden. Der örtliche Priester, Pater Sebastian, stößt dazu und identifiziert die Leiche als Mateo Fuemes, einen knapp 8-jährigen Jungen, der „offensichtlich brutal misshandelt und erwürgt worden“ ist.

So beginnt der Krimi Auf staubiger Straße des aus Graz stammenden Schriftstellers Martin Kolozs, Jahrgang 1978. Der 132-seitige Band ist im Wiener Sonderzahl Verlag erschienen. Kolozs kam seine Idee zum Text auf einer Reise durch Südamerika, dort ist er auf die erschreckende Geschichte eines Serienmörders gestoßen. Kolozs hat bisher Bücher in unterschiedlichsten Genres veröffentlicht, daneben ist er Herausgeber der monographischen Reihe „Tiroler Identitäten“ im Innsbrucker Kyrene Verlag sowie Chefredakteur der Zeitschrift „Ypsilon“, die sich der katholischen Männerbewegung in Österreich widmet.

Doch zurück zum Plot. Kommissar Guzman erfährt, dass die Eltern des tot gefundenen Mateo nicht seine leiblichen Eltern sind, sondern in Wirklichkeit seine Großeltern. Die Mutter hat sich Jahre davor aus dem Staub gemacht und die Großeltern haben Mateo als ihr Kind erzogen. Schon bald finden die beiden Ermittler heraus, dass in diesem Ort vor Jahren weitere Kinder spurlos verschwunden sind, so auch die Tochter von Señor Escanilla. Es sind damals vereinzelte Anzeigen bei der Polizei eingegangen, jedoch sind keine Ermittlungen eingeleitet worden. Die Polizei hat die Betroffenen allein gelassen, weil sie arme Leute sind. Beginnt nach Jahren der Pause eine neue Serie verschwundener Kinder? Auf der Suche nach dem Mörder verdächtigen die Bundespolizisten einen Geologen, der, wie er behauptet, die unterschiedlichen Aspekte des Echos in der staubtrockenen Gegend der Canyons untersuche. Rozenblat findet später heraus, dass der Geologe in Wahrheit der bekannte Serienmörder Pedro Alonso López ist – besser bekannt als „das Monster der Anden“. Doch hat er Mateo ermordet?

Martin Kolozs erinnert mit diesem Roman an einen der schaurigsten Serienmörder der Welt und verwebt im Text einige Charakteristika seiner Person sowie die sozialen Umstände der Opfer. Der Kinderserienmörder Pedro Alonso López hinterließ in Kolumbien, Peru und Ecuador eine Spur des Grauens: Mehr als 300 Mädchen soll er zwischen 1978-1980 umgebracht haben. Ob López noch lebt, weiß niemand. Denn er wurde 1998 endgültig aus dem Gefängnis entlassen und ward nie wieder gesehen. Damit spielt nun Kolozs und erfindet für den Serienkiller eine verdeckte Existenz in der Gegenwart – als Geologe in den Anden Argentiniens.

Zwischen der Serienmörder-Realität und der Buchfiktion gibt es noch weitere Parallelen. So ermittelte die reale Polizei in Ecuador erst wegen Kindesentführung, als ein wohlhabendes Mädchen verschwunden war. Die Anzeigen davor wurden einfach nicht ernst genommen, da die Kinder aus armen Verhältnissen stammten. Nebenbei erwähnt: López wurde kurioserweise nicht von der Polizei gefasst, sondern von beherzten Marktfrauen.
Eine weitere Parallele zwischen López und dem Mörder im Krimi ist der Erlösungsgedanke als Motiv. López behauptete in einem seiner Interviews, dass er die Kinder aus diesem elenden Leben „erlösen“ wollte. – Nachdem er sie einzeln misshandelt, erwürgt und anschließend die Leichen an gutversteckten Orte begraben hatte …

Und so wird in Kolozs‘ Text – wie hätte es auch anders sein können? – zwischen all den Krimi-Versatzstücken über „das Böse“ verhandelt. Die Dorfbevölkerung glaubt nämlich, dass es der Teufel gewesen sei, der die grausame Tat vollbracht habe: „Der größte Trick des Teufels ist, uns seit jeher vorzumachen, dass es ihn nicht gibt … so lockt er uns in die Falle: Wir hören auf, uns vor ihm zu ängstigen … sündigen! … und laufen so direkt in seine Arme.“ Allerdings lassen sich die Ermittler von dieser Hypothese nicht sonderlich beeindrucken. Sie versuchen herauszufinden, wer hinter dieser Figur des Teufels steckt.

In den Roman sind zudem regelmäßig Bekennertexte/Tagebucheinträge des unbekannten Mörders eingearbeitet, die dem Leser eine erste Spur, erste Beweggründe des Killers vermitteln. Diese Gedanken erinnern in ihrem fanatischen Duktus frappierend an die Bekennerschreiben der Gruppe Ludwig, die unter der Parole „Gott mit uns“ in den späten 1970er und Anfang der 1980er Jahre eine Blutspur in Oberitalien, München und Amsterdam hinterließ.

Mit dem Roman Auf staubiger Straße ist dem Krimi-Autor Kolozs ein dialogreiches, kurzweiliges Buch gelungen, in dem er auf kluge Weise einlädt, unterschiedliche Aspekte von Serienkillern, Soziopathen und Fanatismus zu reflektieren.

Martin Kolozs Auf staubiger Straße
Roman.
Wien: Sonderzahl, 2018.
132 S.; geb.
ISBN 978-3-85449-499-7.

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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