Anleitung zum Fest hat vor allem einen Protagonisten, der eindrucksvoll im Mittelpunkt steht: die Stadt. Die Geschichten Ein ortloser Ort oder Was uns an Amputation denken lässt sind feinnervige Stadtbeschreibungen, in diesem Fall Wiens, die an Texte eines Wolfgang Hermann denken lassen. Es sind Gedanken, die einen durch die Augen des Erzählers die Stadt durchblicken lassen, das ist beeindruckend. Vornehmlich sind es Nachtbilder, Beschreibungen eines einsam Beobachtenden, der sich auf seinen Routen seine Vorstellungen vorsagt oder seinen Vorstellungen nachhängt. Das sind keine miniaturhaften Beschreibungen, wie sie bei Wolfgang Hermann zu finden wären, sondern poetische Stadtbilder, die nah an der jeweiligen Figur und an den jeweiligen Geschichten, die hinter der Figur stehen, bleiben. Das ist sehr nachvollziehbar, sehr plausibel.
Diese Direktheit und dieses Erzählen ohne Scheu sind es auch, die einen für die Texte einnehmen, es ist ein authentisches Erzählen, das Lukas Meschik versucht und das ihm ausgezeichnet gelingt. Es sind Stimmungen, in die man beim Lesen gerät, direkt über die Titel der Erzählungen. Tage der Trägheit, Die Kunst des Halbierens, es sind sprechende Titel, die neugierig machen und ein klein wenig irritieren. Der Anspruch, der durch die leicht gespreizte Ansprache der Titel formuliert wird, kann er gehalten werden? Da stehen Sätze wie „An ihr lässt sich der Ablauf einer Selbsttraumatisierung mitverfolgen“ oder „Wir wollen sie bewusstlos durchtaumeln“. Das ist schön.
Aber Lukas Meschik kann nicht nur schön, sondern auch leicht pornografisch erzählen, wenngleich aus sozialkritischen Gründen. Etwa im literarischen Entwurf Die Rückkehr der geschändeten Frauen, überhaupt lesen sich manche Passagen wie ein literarischer Diskurs, sehr postmodern, sehr abgeklärt, sehr existenzialistisch. „Und die Frauen entschlüpfen den Phantasien der Schüler im Mathematikunterricht, entzündet an der Professorin, die nicht lediglich gestreichelt oder anders liebkost wird, nein, sondern an einen Schreibtisch gefesselt darauf wartet, mit dem riesigen Geodreieck penetriert zu werden, sie entschlüpfen den Köpfen des Schülers, der vor lauter Schulhass diesem bibbernden, wimmernden Lehrerinnending Kreidestücke im Ganzen einführt, ohne Gleitmittel hinten, bis sie blutet und längst nicht mehr kann.“ (S.168-169). Ein wenig Porno muss sein.
Wie idealisch und hymnisch dagegen die Erzählung Anleitung zum Fest etwa, ein vorgestelltes ideales Fest hunderter Personen, ein Taumel der Freude und perfekten Organisation und Unterhaltung, Bilder, die man wohl mit der urtümlichen Freude archetypischer Mittelalterfeste verbindet. Ein atypischer Antitod, den zynischen Festen der Jetztzeit entgegengestellt, platonischer Anti-Ort wider den Ballermann. Beeindruckend auch die lange Erzählung Die Kunst des Halbierens, der Versuch einer Bestandsaufnahme Mann-Frau, wie man sie so selten gelesen hat. Mit Lukas Meschik: „Es gehört mir. Es ist mein Besitz. Ich werde alles konservieren. Ich war da. Es ist meine Geschichte und deine Geschichte, seine Geschichte und ihre Geschichte, unsere Geschichte und eure Geschichte. Es ist deren Geschichte. Ich habe nichts zu erzählen. Danke für das Gespräch.“ (S.150)