#Sachbuch

An den Ursprüngen populärer Serialität

Gabriele Stockinger

// Rezension von Redaktion

Die Gartenlaube als Prototyp für das um 1800 entstehende Format „Familienblatt“ mit einer einmalige Erfolgsgeschichte – am Höhepunkt 1975 betrug die Auflage 382.000 Stück mit durchschnittlich 10 Lesern pro Heft – markiert „nicht weniger als den Beginn der Populärkultur in den deutschsprachigen Gebieten“ (S. 11).

Dass Die Gartenlaube „zum meistgelesenen Periodikum des 19. Jahrhunderts wurde“ (S. 17), liegt vor allem am Programm der Serialität auf allen Ebenen: „auf der Mikroebene des einzelnen Heftes, der Mesoebene des Heftverbunds im Jahresverlauf und der Makroebene jahrgangsübergreifender Vernetzung“ (S. 13). Dabei waren die Formen der Verknüpfung, zu denen auch ein immer ausdifferenzierteres Rubrikenangebot (S. 88) gehört, von zentraler Bedeutung, denn als Pionierin im Feld musste Die Gartenlaube „dafür sorgen, dass Information und Unterhaltung überhaupt nachgefragt und dauerhaft zu einem allgemeinen Bedürfnis werden“ (S. 18). Im Selbstverständnis der Redaktion stehen dabei von Anfang an faktuale wie fiktionale Texte – bis hin zu den diesbezüglich oft unterschätzten Dorfgeschichten – im „Dienst der Volksaufklärung“ (S. 273).

Gabriele Stockinger greift die Zeit von 1853 bis in die 1880er Jahre heraus, als die Gartenlaube allmählich ihre singuläre Position verlor, um „in möglichst vielen Querlektüren […] die Anfangsgeschichte populärer Serialität nachzuvollziehen“ (S. 19). Dabei geht es um die Herausbildung von Strategien zur nicht immer eindeutigen „Grenzziehung zwischen faktualen und fiktionalen Bereichen“ (S. 24), zur optischen Lenkung des Leserblicks nach dem Prinzip des „gesteuerte[n] Zappens“ (S. 219) genauso wie um die Entwicklung von „Stückelungspraktiken und Fortsetzungslogiken“ (S. 125), in die das Lesepublikum erst eingeübt werden musste. Untersucht werden die unterschiedlichen Cliffhanger-und Brückenbildungsmechanismen auf redaktioneller wie textinterner Ebene, die Strategien der LeserInnenbindung mit direkter Anrede, redaktionell angereicherten LeserInnenbeiträgen und dem Leserbriefkasten als „interaktivem Kernstück“ (S. 210) des Blattes.

„Periodizität und Teilhabe hängen eng miteinander zusammen: Teil einer ,Serienfamilie‘ zu werden gehört zu den zentralen Angeboten des seriellen Erzählens.“ (S. 350) Das begründete den Erfolg der Gartenlaube und zeigt im Rückblick die Modernität bzw. Langzeitwirkung der mit diesem Familienblatt entwickelten Prinzipien massenmedialer Fortsetzungsformate.

Gabriele Stockinger An den Ursprüngen populärer Serialität
Das Familienblatt Die Gartenlaube
Göttingen: Wallstein, 2018.
384 S.; geb.
ISBN 978-3-8353-3223-2.

Rezension vom 14.05.2018

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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