Es geht um Landschaftsverschandelungen, das Sein des Körpers in der Natur, um Stellenvermittlungen, Berufswelten und Geisteswissenschaften, Lebensvorstellungen oder Leistungsdruck, um Begegnungen im Park oder eben um die Ameisen aus dem Titel, in vielfacher Weise.
Die daraus zusammengestellten und ganz unterschiedlich langen 37 Textteile sind vielfach durch Illustrationen (von Lisa Spalt selbst gezeichnet) erweitert.
Doch: Das Auffälligste an diesen Texten ist die Stellung der Wörter, das Spiel mit Satzbaustrukturen, das Hinwegsetzen über einen leserInnenfreundlichen Impetus. Es geht nicht um raschen Textkonsum, und das steigert sich oftmals sogar bis zum (unmittelbaren) Unterbinden des Inhalts. Satzteile schieben sich nach vorn, Menschen schieben sich nach vorn – Lisa Spalt versucht das Gerangel, in dem wir ständig gefangen sind, syntaktisch abzubilden. Dies ergibt verschachtelte, völlig korrekt nach der deutschen Rechtschreibung gebaute und sehr eindrucksvoll angelegte Sätze, die ihren Sinn jedoch nicht auf Anhieb preisgeben.
Was bedeutet das für die Rezpierenden? Unweigerlich wird die Aufmerksamkeit auf das einzelne Wort selbst gelegt, ein lyrischer Charakter macht sich breit, der Inhalt wird erst nach und nach beim wiederholten Lesen freigelegt, mit Drängen ist hier nichts zu erreichen. Und es ist nicht die Qualität des einzelnen Wortes, die diese Texte in letzter Instanz ausmacht – obwohl hier eine Meisterin der Wortkunst am Werk ist. Es sind vielmehr die komplexen Relationen zueinander: Satzgefüge, die die Lesenden einbremsen und mäßigen, und häufig heißt es „Zurück zum Start“. Die Texte werden so zu rätselartigen Geheimnissen, zu Denkspielen, bei denen in jeder neuen Runde mehr Licht auf ein Dunkles an Inhalt fällt.
Die Erzählperspektive verstärkt das: Durchgängig wird ein Du angesprochen. Dabei sind jedoch nicht (vorrangig) die Lesenden gemeint, sondern vielmehr ein Ich selbst. Die dadurch geschaffene Distanz zum Erzählten verallgemeinert es und macht Leerstellen auf, in die jegliche Personen gesetzt werden können. Ebenso vermittelt dieses Du Mündlichkeit und Gegenwärtigkeit.
Wieder sind es höchst zugespitzte und im selben Zug zerschlagene Relationen – hier in erzählperspektivischer Dimension gedacht – die den Texten in ihrem Innersten einen ungemein reizvollen antagonistischen Wesenszug verleihen.
Der oft maschinenhafte und im Stil einer endlosen Predigt gehaltene Erzählton hat zusätzlich perfomativen Charakter und vieles – wie etwa das sarkastische Moment – eröffnet sich noch viel deutlicher beim lauten Lesen. Einmal klingt der Text wie der Redeschwall eines selbstverliebten alten Professors, der sich in seinen Verschachtelungen und Satzkomplexitäten selbst unterläuft, einmal wie ein melancholisch resignierender und die Welt nicht mehr ertragender Bericht, einmal wie ein erboster und fast empört zorniger Abriss eines Geschehens, wie etwa hier:
Ja, da brechen sich doch, da der Typ dich eben zurechtgewiesen, du könntest heute gar keinen Termin, der an diesem ganz gewöhnlichen Tag wie immer nur den Ausnahmen, die alle BittstellerInnen außer dir beträfen, gewährt werde, bei ihm haben, da es sich bei was auch immer, was er dir nun ganz oder gar nicht genau erklären könne, nur um Routine handle, in den Zimmerecken die Schallwellen in eine Art von dreischenkeligen Winkelmaßen, die sich als Stützvorrichtung sowohl seiner als auch deiner Position interpretieren lassen würden. (S. 47 f.)
Lisa Spalt präsentiert uns eine absolut meisterhafte Vielfalt an Satz-Stücken, wobei – so die Autorin – „jeder Halbsatz dem vorigen widerspricht, weil sich die Realität für diese Person, die etwas festzustellen versucht, ständig verschiebt, weil sie ständig justieren muss und das nie funktioniert“.