#Prosa

Als ich ein Hund war

André Heller

// Rezension von Kristina Pfoser

Liebesgeschichten und weitere rätselhafte Vorfälle.

André Heller zählt zu den bekanntesten Multimedia-Künstlern, als Autor ist er der breiten Öffentlichkeit nur wenig bekannt. „Mich gibt’s in der österreichischen Literatur als ernst genommenen schreibenden Menschen gar nicht“, hat Heller erst kürzlich festgestellt. Blättert man allerdings in den Kritiken, so könnte man dem durchaus widersprechen: „Da ist ein Schriftsteller, den es zu lesen lohnt“, befand 1988 der Staatspreisträger für Literaturkritik Thomas Rothschild zu Hellers „Schattentaucher“ und meinte, daß Heller als Prosa-Autor unterschätzt werde. Und Joachim Kaiser in der „Süddeutschen Zeitung“ setzte fünf Jahre später beim Erscheinen des Erzählbandes „Schlamassel“ gleich noch eins drauf: „Der Prosaautor Heller unterschätzt sich. Nicht ein Altenberg von heute, sondern ein Maupassant, ein Schnitzler, vielleicht sogar ein Joseph Roth von morgen könnte er werden.“

Tatsächlich arbeitet André Heller bereits seit acht Jahren an einem großen Roman – der Titel steht bereits fest: „Julian oder das Buch vom Süden“. Diesem Opus Magnum hat er jetzt einen schmalen Erzählband mit 27 kurzen Prosastücken vorausgeschickt: „Als ich ein Hund war. Liebesgeschichten und weitere rätselhafte Vorfälle“. Es sind phantastische, seltsame Geschichten, die da versammelt sind. Angesiedelt zumeist in südlichen Gegenden, in einem märchenhaften Orient, in Andalusien, Italien aber auch in Hellers österreichischer Heimat, in Wien. Immer wieder ist es ein Ich, das da erzählt, ein Ich, das als Kind an der Bahre des Vaters steht, das als Anwalt beobachtend in einer Hotelbar sitzt, das als Philosoph am Strand den Wellen nachsinniert, ein Ich, das ein Hund war.

André Hellers Markenzeichen ist die Phantasie und in seinen „Liebesgeschichten und weiteren rätselhafte Vorfälle“ präsentiert er sich da einmal mehr als Verwandlungsreisender. Autobiographische Fragmente, Kindheitserinnerungen werden da vermischt mit dem Inventar orientalischer Märchen – von Guadeloupe geht die Reise nach Nizza, zum Gardasee, nach Venedig, Fez, Jerusalem, Casablanca – und immer wieder nach Wien. Zwischen dem Hietzing der Nachkriegszeit und dem Jaffa der 90er Jahre sind auch die zeitlichen Grenzen fließend.

Das Kind in Guadeloupe, das in der ersten Geschichte „Wie es wirklich war“ wenig freundliche Gedanken an den toten Vater formuliert, schreibt in Wien in der letzten Geschichte auf, „was ich erlebe“. Ob in Spanien oder in Hietzing – es ist der übermächtige Vater, der allgegenwärtig ist: „Er kann nur anschaffen. Nie sagt er ‚bitte‘ oder ‚danke‘. Das meiste an Papa ist ein Donnerwetter. Manchmal weint er aber auch ohne sichtbaren Grund. Dann ist sein Gesicht viel schöner, und er kommt mir nicht wie eine Festung vor, sondern wie ein Dorf.“

Wie die Schauplätze und die Zeit ändert sich auch der Ton der Prosa von Erzählung zu Erzählung – der Variantenreichtum der Hellerschen Ausdrucksformen, der Gartenkunstwerke, der fliegenden und schwimmenden Skulpturen, Feuerspektakel und Shows wird hier in die Literatur transferiert. Und was für sein breitgestreutes künstlerisches Angebot gilt, das will Heller auch für seine Texte gelten lassen. So heißt es denn auch am Schluß der Titelgeschichte „Als ich ein Hund war“: „Ich habe aufgeschrieben, was ich erinnere. Wer es brauchen kann, dem soll es gehören.“

André Heller Als ich ein Hund war
Erzählband.
Berlin: Berlin Verlag, 2001.
138 S.; geb.
ISBN 3-8270-0279-6.

Rezension vom 09.04.2001

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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