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Albors Asche

Marlen Schachinger

// Rezension von Bernd Schuchter

Und steige nie zweimal in denselben Fluss …

Dieses Motto des antiken Philosophen Heraklit stellt Marlen Schachinger ihrem neuen Roman Albors Asche voran und gibt damit die Lektürerichtung vor; denn das Buch ist eine aberwitzige Abfolge von Assoziationsketten und mythologischen wie literaturgeschichtlichen Zitaten, eine Text- und Sprachexplosion, die etwas Ausuferndes hat.

Schachinger, die in ihrem „Institut für narrative Kunst“ (www.ink-noe.net) das „entwickeln, fabulieren, erzählen, schreiben“ unterrichtet, hält sich selbst getreu an diese Vorgabe. Sie webt einen Textteppich, der nur so vor Anspielungen strotzt – und manchmal schlicht überfrachtet wirkt, ein wenig beflissen. Albor ist ein fiktiver Ort in einer unbestimmten Zeit, in der alles in einer gewissen Ordnung abläuft, dafür sorgt das „Komitee zur Aufrechterhaltung der Tugend und Ehrbarkeit Albors“. Als eines Tages eine geheimnisvolle Frau mit roten Haaren auftaucht, die sich in der halbverfallenen Kirche (Religion scheint es in Albor keine mehr zu geben) einquartiert, wird innerhalb der Stadtgemeinschaft eine gewisse Dynamik in Gang gesetzt, die ein übles Ende erahnen lässt. Die Männer Albors fangen an, die Kirche und die Frau zu belagern und ein Höhepunkt besteht darin, dass der Fremden die langen roten Haare abgeschnitten werden. Ein Zeichen, eine Strafe? Doch wofür?

Schachingers Roman könnte eine Parabel für den Umgang mit dem Fremden, ein Buch über Toleranz und Respekt sein, über das Andere, das Anderssein, verliert sich aber zu oft in Details. Die überbordende Fabulierlust hemmt den Lesefluss und verstellt den Blick auf die eigentliche Geschichte. Vielleicht ist das auch so gewollt von der Autorin. Vielleicht ist genau das intendiert.

Denn die Autorin weiß viel und möchte viel erzählen. „Im selben Moment hörte er ein Zündholz über die Reibefläche ratschen, verleimte Mischung von Glaspulver und rotem Phosphor, und der Kopf des Espenholzstäbchens wurde mit Paraffin getränkt, er lauschte dem Knistern des brennenden Holzes, schon stieg ihm der charakteristische Nachgeruch des Entzündens in die Nase, Diammoniumhydrogenphosphat, (NH4)2HPO4, dazu benutzt, ein Nachglühen des Hölzchens zu verhindern.“ (S. 123) Vielleicht will Schachinger da zu viel.

Albors Asche ist ein mythologischer Rundumschlag zwischen Antike und Heute, zwischen Aristoteles und Platon, und gleichzeitig ein Kabinettstück über die Möglichkeiten menschlichen Zusammenlebens, menschliche Laster und Abgründe. Es ist das Leben selbst, das Schachinger abbilden möchte, wie die ausführliche Widmung nahelegt: „Für Zoë, weiblicher Vorname, französische Form zu altgriechisch […], ›die einfache Tatsache des Lebens, welche allen Lebewesen gemein ist‹. ›zoe‹ meint dabei nicht nur die Erhaltung der Art, sondern gemäß Aristoteles’ ›eu zen‹, dass der Mensch um des guten Lebens willen geboren wurde. –“ (S. 5) Marlen Schachinger schreibt versiert an diesem Kosmos menschlichen Lebens entlang, Albors Asche ist der spannende Versuch, eine ganz andere Sicht auf das Leben einzufangen, der Versuch, eine archaische Welt mit modernen Worten zu bannen; und das ist Schachinger mit ihrem kryptischen Roman gelungen.

Albors Asche.
Roman.
Salzburg: Otto Müller Verlag, 2015.
263 Seiten, gebunden.
ISBN 978-3-7013-1229-0.

Homepage der Autorin

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autorin

Rezension vom 11.01.2016

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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