#Theater

Alarm

Antonio Fian

// Rezension von Peter Landerl

Wie jede Buchkritik, die vorgibt objektiv zu sein, natürlich subjektiv ist, so ist auch diese Rezension subjektiv – sicher aber subjektiver als andere: Ich gebe ganz offen zu, daß ich ein Fan von Antonio Fians Dramoletten bin, weil sie einsame Lichtblicke in der zumeist düsteren Zeitungslektüre darstellen.
Nach „Was bisher geschah“ und „Was seither geschah“ ist nun bereits der dritte Band von Fians Dramoletten bei Droschl erschienen. Beim überwiegenden Teil der in dem Band gesammelten Dramolette handelt es sich nicht um Ersterscheinungen – die meisten davon wurden erstmals im „Standard“ und im „Falter“ publiziert.

 

Wie funktionieren die Dramolette? Oft greift Fian auf Material zurück, meist Zeitungsberichte und Interviews, schneidet einzelne Sätze aus. Seine Figuren sind bekannte Personen aus den überschaubaren österreichischen Universen der Politik, des Kunstbetriebs und der High-Society. Ihnen legt er Gesagtes wieder zurück in den Mund, verfremdet oder verstärkt die Aussagen durch die kleine Szenerie, die er um sie baut, und führt dadurch das Gesagte in einen Kontext, der zum Lachen anregt. In der Kürze liegt die Würze. Bissig, schonungslos, mutig, wirksam.
Der Vorhang hebt sich, die Bühne belebt sich: Ioan Holender und Günther Nenning streiten sich beim Liftfahren, ob der Vorname von Cioran, nämlich Emil(e), nun mit oder ohne e am Ende geschrieben wird; zwei Schriftsteller im Kaffeehaus arbeiten sich in „Naturgemäß“ am Erbe von Thomas Bernhard ab; Wolf Martin leidet an den Launen seines Herausgebers Dichand, der ihm seine in den Wind gereimten Verse streicht; Jörg Haider feilt an seiner Aschermittwochsrede; Robert Menasse entdeckt sich in der Zeitschrift News und findet sich genial; ein junger Rimbaud-Verehrer bleibt bei seiner Romanze mit einer Schülerin unverstanden; Alexander Wurz und Andi Goldberger sprechen sich in einer Nervenklinik Mut zu; Josef Haslinger geht nach dem Abendessen – frei nach Udo Jürgens – nur schnell mal Zigaretten holen…

Fians Dramolette unterhalten, sie belustigen, sie rühren auf und rühren um. Seine kleine, hohe Kunst ist Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Zuständen, sie ist aber auch zu einem großen Teil Medienkritik. Sie führt die Aussagen auf das zurück, was sie oft sind (was aber im medialen Kontext oft untergeht): nämlich in einem hohen Maße lächerlich. Fian hat eine neue literarische Form eingebracht, die wirksamer ist als die zahllosen Kommentare zu den ewig gleichen Themen. Eben weil er sich nicht auf das Streitniveau, wie es in den Redaktionsstuben und Parteizentralen herrscht, hinunterläßt, weil er im geistlosen Spiel der nach Aufmerksamkeit heischenden Parteifunktionäre und skandalwitternden Schreiberlinge nicht mitmacht, weil er literarisch agiert, bleibt seine Kunst wirksam.
Fians Dramolette zeigen, daß in Österreich Humor auch abseits der Hader/Dorfer/Düringer/Kaisermühlen-Blues/MA 2412-Schiene existiert. Sein Witz ist subtiler, hintergründiger, liegt im Detail, hängt oft nur an einem Wort und setzt eine gewisse Kenntnis des Literatur-, Kunst- und Politikgeschehens voraus. Nur passend, daß Tex Rubinowitz – ein Bruder im Geiste – für die Umschlaggestaltung des Buches verantwortlich zeichnet.
Wenn man von mancher Literatur behauptet, sie hätte eine Wirkung, dann trifft es auf die von Fian zu. Und wenn die Wirkung nur darin besteht, daß sich ein Schmunzeln über den Mund des Lesers legt.

Antonio Fian Alarm
Dramolette III.
Graz, Wien: Droschl, 2002.
144 S.; geb.
ISBN 3-85420-595-3.

Rezension vom 25.02.2002

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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