Die Texte in diesem Buch sind allesamt durchdrungen, getragen von einem Rhythmus, dem „Beat“, den ich wie das schnelle Klopfen eines aufgeregten Herzens empfinde. Ist es so, dass Narr und Närrin „ihr Herz jetzt im Mund“ tragen, wie eine Textzeile des für den ganzen Band titelgebenden Gedichtes lautet. Ist es so, dass dieses Herz im Sprechen und Schreiben den Takt angibt, klopft, jedes Wort, jeden Satz „durchklopft“? Ich stelle mir das Herz im Mund vor. Wo liegt es? „Auf der Zunge“, wie die deutsche Sprache das „Offenherzige“ charakterisiert? Oder klopft es einfach bis zum Hals, wie es die englische Redewendung nahelegen würde?
An dieser Stelle stehe ich vor einer grundsätzlichen Problematik des Übersetzens und bin froh darüber, dass die Gedichte zweisprachig abgedruckt sind. So ist es möglich, dem Original näher zu treten und sich trotzdem an eine Übersetzung zu lehnen. Gerade in diesem Falle scheint mir das Original wichtig, ist doch das Englische ganz besonders mit dem „Beat“ (und der „Beat Generation“!) verbunden, also mit dem Anklopfen an Türen und Tore (auch) der Wahrnehmung, verbunden mit dem „Beklopft sein“, dem Narrentum, dem „dance of the flame“, wie es bei Ruth Weiss heißt.
Inhaltlich drehen sich die Texte von Ruth Weiss vor allem um den Verlauf der Zeit, damit auch um das Älterwerden, um „DIE BESONDERE ZARTHEIT DES ALTERNS“ (Ruth Weiss setzt dies in Großbuchstaben). Dabei wird auch angesprochen, dass es eine „ganze Geschichte“ gibt, zu der die Wahrheit des Sterbens gehört. Dieser Wahrheit wird näher gerückt, ohne Schwermut – das klopfende Herz vertreibt sie tapfer –, aber auch ohne Dramatik: So ist es, wir sind da – da sind wir! – und daraus sollten wir das Beste machen, zum Beispiel unsere Bananen schälen (und verzehren). Dann werden wir nicht mehr da sein und andere Bananen werden geschält werden, punktum.
Wir sollen „einfach“ tun, was wir tun wollen, unsere Wünsche und den Widerspruch als Qualitäten des Lebens ernst nehmen und „den Funken“ bewahren. Soweit die Botschaft. Nicht ohne Ironie steht am Anfang des Buches der Bär, der „zu nichts“ taugen will, außer eben – das ist wichtig – zum Dasein und zum Hin- und Hergehen.
Während des Lesens fällt mir ein Gedicht von Fritz Widhalm ein, darin der Satz: „Ich nenne den Widerspruch bei seinem richtigen Namen: die Zuneigung.“
Was also einfach klingt, bedarf großer Konzentration, bedarf eines Rituals für Abschied und Willkommen, bedarf vor allem der Gelassenheit. Das heftige rhytmische Klopfen, das die Texte begleitet, funktioniert auch in diesem Sinne, es ist Wiegenlied, Abendlied, Trostlied, Tanzlied – und eben das klopfende Herz.
So lässt sich lesen, was die sterbende Libelle erzählt. Diese heißt auf englisch „dragonfly“ und führt zum Drachen. Libelle klingt leicht, flatterhaft fast, dragonfly indes schwer, kämpferisch, kriegerisch. Der Unterton des Gedichtes schwankt durch die Übersetzung beträchtlich, dennoch bleibt: „wir alle leuchten als Menschen“, und: punktum.
Ruth Weiss, immer wieder als „goddess“ der Beat Generation bezeichnet, hat in diesem Buch eine literarische Ermutigung geschaffen, ein Lehrstück des Nicht Einverstanden Seins mit den Umständen des Lebens bei gleichzeitigem Einverstanden Sein mit dem Leben selbst.
Auf die besondere und hörenswerte Art der Autorin, ihre Texte vorzutragen, zu performen, sei an dieser Stelle nur am Rande hingewiesen, eine Auswahl von Film- und Tondokumenten wird im Rahmen der Biobibliografie angeführt, bemerkenswert hier sicherlich die Filmaufzeichnung aus dem Jahre 1967 („the brink“).