#Lyrik

16.000 Kilometer

Lucas Cejpek

// Rezension von Petra Nachbaur

Selbstbeschreibung.

„Ich schreibe am liebsten auf dem Bauch liegend, wie Verliebte schlafen“ (S. 12), meint Lucas Cejpek zunächst, um wenig später zu behaupten, „am liebsten schreibe ich auf dem Küchentisch, auf dem ich als Student zu schreiben angefangen habe“ (S. 24). Bett und Tisch, Tisch und Bett, Schlafen, Lieben, Essen, Studieren – und immer der Bezug zum Schreiben.

Der nur scheinbare Widerspruch zweier ganz konkreter schriftstellerischer, textproduktiver Präferenzen markiert die beiden klassischen Pole der Häuslichkeit, die in scharfem Gegensatz stehen zu den 16.000 Kilometern Wegmarke, die den vorliegenden Poetik-Vorlesungen den Titel leihen, und zum Streckenfahrplan mit Ankunfts- und Abfahrtszeiten auf dem Buchcover.

„Poetik-Vorlesungen“ ist ein zu strenger, zu enger Begriff für den Band, der auch schon durch seine optische Gestaltung mit den vielen Querstrichen, die die kurzen Abschnitte voneinander trennen, eher in Richtung eines Gedankenbuches, eines Notizenbuches weist. Doch die Längenangabe als Titel ist auch irreführend. Er sei beileibe kein Abenteurer, so Cejpek, und der Weg sei nicht oft das Ziel, sondern im speziellen Falle seines „Gesellschaftsromans“ „Ihr Wunsch“ tatsächlich bloß Mittel zum Zweck gewesen.

Dennoch gibt Lucas Cejpek auf sehr genaue und sehr persönliche (wenngleich nie private: „[…] über private Dinge spreche ich nicht.“ und: „Ich schreibe, um von mir abzusehn.“, S. 47f.) Weise Auskunft über das Schreiben („den Weg“), über sein Schreiben, sein Lesen, seine Lektüren und sein Leben als Autor. Er stellt sich und seine Arbeit in den Kontext einer Lesebiografie und macht dadurch so manches in seinem bisherigen Werk zugänglicher, nachvollziehbarer. „Lesen und Schreiben gehören zusammen. So lernt man es, und so ist es auch, ausnahmsweise.“ (S. 72)

Die Vielseitigkeit Cejpeks von seiner Dissertation über Robert Musil bis zum kleinen, feinen „Fotoroman“ von und mit parkenden Autos erschließt sich in Anbetracht seiner poetologischen Selbstbeschreibung als genuin literarische: Was Cejpek interessiert, sind Sprache und Gesellschaft, sind die Zusammenhänge zwischen Zimmer und Straße, zwischen Stillstand und Bewegung.

Cejpek entwirft einen Kosmos der Literatur und der Recherchen. Er ist in seinen Ausführungen klug, dabei aber stets zurückhaltend, beinah vornehm, und er gerät nie ins Fahrwasser des beflissen Belesenen, Belehrenden, geschweige denn des protzig Besserwisserischen.

Auch das selbstgefällige Räsonnieren ist Cejpek fremd. Betont schlicht im Ausdruck wirkt es umso stärker, wenn Stellung bezogen wird, gegen Peter Handke etwa, der seit seinem umstrittenen politischen Engagement in der Cejpekschen Bücheraufstellung umgeordnet worden ist, ins Regal für die „toten Dichter“.

Auf beeindruckend unprätenziöse Weise berichtet Lukas Cejpek, gibt Auskunft und Bescheid und macht gerade dadurch Lust, „Ihr Wunsch“ aufs neue zu lesen, „Vera Vera“ wieder zur Hand zu nehmen und auch „Ludwig“, das unspektakulärste seiner Bücher, noch einmal durchzublättern, um nach der Wegzehrung der „16.000“ Kilometer einen anderen „Ludwig“ zu entdecken.

Lucas Cejpek 16.000 Kilometer
Poetik.
Wien: Turia & Kant, 1998.
80 S.; brosch.
ISBN 3-85132-189-8.

Rezension vom 25.03.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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