16.00
Volha Hapeyeva
Trapezherz
Lesung
Moderation und Gespräch: Matthias Göritz
Der Band Trapezherz (Droschl) steht im Mittelpunkt der Lesung. Das Buch versammelt Gedichte aus den letzten 20 Jahren und umfasst eine breite Themenpalette, in einem eindringlichen Parcours durch die Lebenswirklichkeiten des lyrischen Ichs. Und die Erfahrung des Exils der aus Belarus stammenden Dichterin und Sprachwissenschaftlerin Volha Hapeyeva schwingt mit in ihren Texten, verbunden mit dem Bestreben, den Verlust durch Poesie und Bilder wettzumachen, sich neu zu erschaffen in der neuen Sprache – aus der Sehnsucht nach Heimat in der Sprache. „und sie träumte von dem wort / und sie erwachte / und sie konnte sich nicht daran erinnern / und das wort war einfach und ganz / machte die welt ruhig und leicht“. Das Land der eigenen Muttersprache ist tabu, so ist auch die Wehmut omnipräsent, die Einsamkeit oder die Melancholie. „traurigkeit wird meine eintrittskarte zum vollmond“. Der Wille, mit Sprache sich die Wirklichkeit neu zu erobern, hat auch einen politischen Aspekt und bleibt sichtbar, im Beziehungsgeflecht der Traditionen. „alles was uns geschieht sind worte / alles was wir füreinander sind bleiben gedichte“.
Der Autor und Übersetzer Matthias Göritz hat die Gedichte von Volha Hapeyeva ins Deutsche übertragen.
Ausstellung
Volha Hapeyeva
Meine österreichische Literatur
Die erste Stipendiatin des Mayröcker-Residence-Programmes, Volha Hapeyeva, ist Dichterin und bildende Künstlerin. Im Foyer des Literaturhaus Wien zeigt sie eine Reihe von „Porträts“ zu österreichischen Autor:innen, und zwar zu Friederike Mayröcker, Christine Lavant, Robert Musil, Elfriede Gerstl, H. C. Artmann, Marlen Haushofer, Barbara Frischmuth und Alfred Kolleritsch. Ausgangspunkt der Arbeiten waren O-Töne der Porträtierten, also Interviews oder Features, sozusagen als „wörtlicher Hintergrund“. Weiters sind in der Ausstellung bildnerische Arbeiten und Gedichte von Volha Hapeyeva auf transparenter Papierrolle zu sehen, inspiriert vom Geiste Friederike Mayröckers und getippt auf einer „Hermes Baby“ Schreibmaschine aus dem Nachlass der Dichterin und Namensgeberin des Stipendien-Programmes.
17.00
Dmitri Strozew, Sylvia Sasse, Iryna Herasimovich
Bücher für ein anderes Belarus
Gespräch und Lesung
Der Dichter, Verleger und Aktivist Dmitri Strozew lebt nach einer Verhaftung 2020 in Belarus aktuell in Deutschland im Exil. Nachdem sein Verlag Vinograd seine Lizenz verloren hatte, arbeitete er als Untergrundverleger weiter und widersetzte sich der staatlichen Zensur. In Berlin gründete er Hochroth Minsk als Plattform für belarusische und im Exil lebende Schriftsteller, um ihre Werke frei zu veröffentlichen. Dieses Ansinnen teilt er mit der Aktion „33 Bücher für ein anderes Belarus“, die ein temporäres Produktions-Netzwerk für belarusische Bücher in unterschiedlichen europäischen Ländern bildet, anknüpfend an die Tradition des Tamizdat, die zur Zeit des Kalten Krieges die Herausgabe von Büchern in ihren Originalsprachen ermöglichte. Als Sonderdruck der Zeitschrift wespennest erscheint der fünfte Band der von Dmitri Strozew herausgegebenen Almanachs Minsker Schule, der sich um die Weitergabe der Arbeit nonkonformistischer belarusischen Autor:innen der 70er und 80er Jahre bemüht. Der fünfte Band widmet sich dem Dialog der belarusischen Autor:innen untereinander sowie dem Dialog mit Literaturszenen anderer Länder. Mit Dmitri Strozew sprechen die belarusische Übersetzerin Iryna Herasimovich und Sylvia Sasse (Slavistisches Seminar der Universität Zürich) über die aktuelle Situation der belarusischen Kultur, die Aktion „33 Bücher für ein anderes Belarus“ und die Minsker Schule. Dmitri Strozews deutscher Übersetzer, Andreas Weihe, liest dessen Texte.
18.30
Marina Skalova Le corps cille
Lesung
Moderation und Gespräch: Heike Fiedler
Die in Moskau geborene und in Frankreich und Deutschland aufgewachsene Autorin Marina Skalova bewegt sich in ihrer Arbeit nicht nur zwischen den drei Sprachen, sondern auch entlang den Schnittstellen von literarischen Genres. Theaterstücke, Prosa, Essays und Lyrik schreibt sie und ist als Übersetzerin aus dem Russischen und Deutschen ins Französische tätig. 2025 wird der dreisprachige Gedichtband Le corps cille (Der blinzelnde Körper) erscheinen, den sie bei ihrer Lesung im Rahmen des Festivals vorstellt. Es ist ein Buch des Blinzelns, des Pulsierens, des Flackerns, inhaltlich und sprachlich. Das Aufeinandertreffen der drei Sprachen, das Russische, das sich im Dialog mit Deutsch und Französisch trifft, bildet eine spezielle Spannung zum Themenkreis der Gedichte: Es geht um die Geburt, um die Entstehung von Leben, um erste Wahrnehmungen, um Mutterschaft und deren Widersprüchlichkeit, um die Freude der Geburt und um die Gebrechlichkeit des weiblichen Körpers und um unterschwellige, medizinische und politische Gewalt.
Die in der Schweiz lebende Lyrikerin und Performerin Heike Fiedler war Teil der Jury zum Mayröcker-Stipendium 2025.
19.30
Kim Hyesoon Autobiographie des Todes
Lesung
Übersetzung und Gespräch: Uljana Wolf und Sool Park
Dolmetschung: Irene Maier
Kim Hyesoon ist die bedeutendste lyrische Stimme der südkoreanischen Literatur. Ihre Arbeiten drehen sich um Fragen der Emanzipation, aber auch um die starren Strukturen der Gesellschaft. Der neueste auf Deutsch erschienene Band versammelt unter dem Titel Autobiographie des Todes (Fischer) einen Zyklus von 49 Gedichten. Die Zahl steht für die Tage, an denen sich laut der buddhistischen Lehre die Toten vor dem Kreislauf der Reinkarnation noch im Kreise der Lebenden bewegen. Ausgehend von einem Fährenunglück in Seoul im Jahr 2014 mit über 300 Toten bewegt sich die Dichterin im Bereich der Zwischenwelt und leiht den Opfern, den Unterdrückten ihre Stimme. So leistet sie mit ihrer eindringlichen Poesie Widerstand auf vielfältiger Art und Weise. „Der Rhythmus dieses Widerstands lebt in der Stimme der weiblichen Sprecherin, die in mir gespenstisch existiert.“ Die Gedichte werden so auch zu Orten des Trostes, des Lebens und der Hoffnung.
„Das Gedicht ist die ewige Ankunft des Geistersprechers. Die Zukunft, die in der Gegenwart ankommt, wartet auf uns – als eine Sprache außerhalb der Zeit, die den Tod erleuchtet, jenen Raum unendlichen Unsinns.“
Die Veranstaltung wird unterstützt vom „Literature Translation Institute of Korea“ (LTI Korea).
Hier kommen Sie zu den weiteren Veranstaltungen des Festivals:
Internationales Lyrikfestival Erich Fried Verkehrte Zeit
Eröffnung
Tag 2, 5.6.2025
Tag 3, 6.6.2025