#Prosa

Für die Früchtchen

Christian Steinbacher

// Rezension von Helmuth Schönauer

Christian Steinbachers Prosa ist selbstverständlich alles andere als „prosaisch“, sein Plädoyer, wie er den Textstrang nennt, ist durchaus gefühlsvoll, romantisch und transformierend angelegt. Als Transformation könnte man nämlich den Umstand bezeichnen, daß sich die Sachlage und die Dinge während des Plädoyers verändern. Im Mittelpunkt stehen dabei Früchte, Blüten, Blumen und jenes Allerlei, das sich üblicherweise für ein aufregendes Stilleben eignet.

Die acht Textabschnitte verweisen immer wieder auf die Romantik oder ihre Interpreten. So gibt es etwa einen „Landschaftszeh mit Lenau“, der durchaus logisch wirkt, wenn er in einem Stiefel, das Italien darstellt, eingepackt ist. „Die allmähliche Verfertigung der Zuneigung beim Basteln einer Sache“ spielt auf jenen Aufsatz Kleists an, in dem das Zustandekommen der Gedanken beschrieben ist.

„Balkon mit Zimmer, Auflauf und Novalis“ nennt sich ein Text, der den Meister der blauen Blume würdigt.

Wenn dann ein Text mit „in der Hocke“ überschrieben ist, muß man als Leser einmal gegen die Bilder eines Downhill-Racers ankämpfen, der in der Hocke gegen die Sinnhaftigkeit der Welt abfährt. Bei Christian Steinbacher freilich geht quasi der komplette Text in Hocke, um dann unerwartet aufzuspringen, es geht nämlich um „Schönheit UND Mißton, ALSO Poesie“ (S. 70).

Der Meister des „Knapp-Daneben-Seins“, wie der Autor im Klappentext verschmitzt genannt wird, stellt immer wieder Gebrauchsanweisungen zur Verfügung, wie man gewisse Sequenzen lesen könnte. Das Knapp-Daneben gilt ursprünglich nur dem Ei, das sich beim Frühstück nicht auf Anhieb kappen läßt.(S. 72) Und wie es für das Kappen des Eies oft mehrere Versuche braucht, die sogar mit einer völligen Zertrümmerung enden können, gilt es auch, gegenüber dem Text das Kappmesser richtig anzusetzen.

Manchmal tauchen Stellen auf, die man als Dreizeiler-Konzept für den gesamten Text nehmen kann.

„Ja, so sammle ich Blüten im Stillen und verstaue den Staub, während ihr uns den Irrtum, mein indirekt reizendes Mittel, mit Zurechtgelegtem versaut!“ (S. 114) Als Schlüsselbegriff des Erzählens bietet sich die sogenannte „romantische Ironie“ an, mit der sich Dinge und Handlungen gegen den Autor auflehnen oder gegenüber dem Leser rechtfertigen dürfen.

Christian Steinbacher läßt durchaus mit sich reden, er operiert an offenem Text-Herzen, und wenn jemand schlecht davongekommen ist, kriegt er eine zweite Chance. Die dargebotene Textfassung ist naturgemäß gültig und besiegelt, aber der Leser hat die Option, sich mit den Früchtchen zu verbünden und einen Textaufstand anzuzetteln.

Das Früchtchen-Plädoyer ist ein Appell, den Alltag zwischendurch zu poetisieren, vielleicht sogar auf die romantische Art. Der Plot der Geschichten ist der Alltag persönlich, und jeder Leser wird sich in der einen oder anderen Form als Hauptdarsteller erkennen.

Letztlich geht es dem Autor nicht um den Inhalt, sondern um die Methode, die Welt auf eine fröhliche Art neu zu erfahren.

Für die Früchtchen. Ein Plädoyer.
Innsbruck: Haymon, 2000.
127 Seiten, gebunden.
ISBN 3-85218-326-X.

Homepage des Autors

Rezension vom 20.03.2000

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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