Warum Thomas Kunst preiswürdig ist?
Weil er die Welt sieht
Wie niemand sonst die Welt sieht

Als ich Thomas Kunst zum ersten Mal sah
Trug er Ringe an jedem Finger
Hätte alles sein können
Ein träumender Anstreicher
Ein Naturbetrachter
Mit Blick in die Weite
Er war der Dichter mit Lyrik im Schuh
Gehörte nicht zu den Eifrigen
Wartete, was geschehen würde
Wir standen wie Schüler vor der Prüfung
Wurden abgelehnt
Waren zu wenig geeignet
Geeignet wofür
Für die großen Hallen
Das helle Licht
Sag doch einfach Licht.
Was ist Licht anderes als hell
die Scheinwerfer
Schon besser
Sei nicht traurig, sage ich
Wieso? Ich bin kein echter Preisträger.
Aber in Wien schon
Ach ihr Österreicher, sagt er

Ich schenke dir zu Deinen dazu
einen Kaugummiring
Der wie echt aussieht
Mit rotem Stein wie Rubin
Den man zur Not auch essen kann
Ich esse doch meine Ringe nicht
Ich bin kein Allesfresser wie die Schweine
Obwohl ich Schweine liebe
Woher weißt du, dass ich domestiziert bin?

Was kann Thomas Kunst
Klein sein wie ein kleines Tier,
um dann mit ihnen zu essen
um dann wieder groß zu werden
wie die Riesen in den Sagen
die Bäume ausreißen
wer sagt das

Er sagt, er sei faul
Wer sagt das?
Zu faul, um Geige zu spielen
Wahrscheinlich weil Musik
Sein Blut kochen lässt
Er ist verrückt
Wer sagt das?

Genussmittel und Wohnraumbehörden bringt er zusammen, als hätten sie miteinander zu tun.
Und ob die miteinander zu tun haben?

Das muss man erst zusammenbringen
Er muss verrückt sein,
ach, wären doch alle Dichter verrückt, sagt er
Bedeutet verrückt zu sein, frage ich,
den Stuhl auf den Tisch zu stellen und unter dem Tisch zu essen
Deine Interpretation, sagt er
verrückt zu sein heißt, an einem Hundehalsband seine Existenz aufzubauen.

Woher ist er gekommen, phantasierte ich
Aus einem fernen Land
Wo Verträge über Veilchen verloren gehen
Übertreib es nicht, sagt er
Sei bescheidener
Wo Stiefel in die Bäume steigen
Und Messer an den Felsen schleifen
Schon wieder übertrieben
Wo es keine Frisuren gibt
Nur Haare
Ich behaupte:
Thomas Kunst kommt aus einer Allee mit zwei LL und zwei
Hunde essen Erdbeeren
Hat er selbst gesehen, sagt er
Auf einem Erdbeerfeld

Bleistifte fallen vom Himmel
In Österreich?
Papier schwimmt in der Badewanne
Große Frauen streicheln kleine Männer
Und umgekehrt
Gibt es Variationen?
Weißt du welche, sag sie mir.
Kinder schlafen im Salat
Ich gebe ihm aus Erfahrung recht
Entschlussfreudigkeit bringt Unglück
In diesem Licht kann er sich sehen lassen
In welchem Licht?
Meinst du Land oder Licht?
Das Paradies öffnet die Suppenküche um neunzehn Uhr

Ich phantasiere:
Du bügelst die Briefe. Ich bügle die Bücher
Ich bügle den Roman
Zu ausgedacht, sagt er.
Meine Frau bügelt, aber nur die schönen Hemden. Die zum Angeben.

Denk kompliziert, schreib einfach sagt er
Und umgekehrt geht nicht?
Vielleicht in Österreich

Aus einem Gedicht von Thomas Kunst

Hebe ständig Schnecken vom Boden auf, Grashalme,
Filterpapier und die Kinder von Ameisen, ich gehe in
Die Hocke und bleibe so, ich binde mich an einem Baum
Fest und versuche jetzt, von ganz allein zu bluten, ich
Schlenkere mit den Armen, warte auf Wölfe und
Haie

Die Kinder reicher Eltern riechen nicht nach Schnaps und Fischen
Vorgenommen, kleiner zu werden, mit
Kleineren Kartoffeln, kleinerem Obst, Steakmedaillons und
Winzigen Getränken, ich habe meine Arme
Mit Wäscheleinen enger geschnürt, ich schlafe
Nur noch mit hochgezogenen Knien, ich lese nur
Noch die Buchzeilen genau in der Mitte, ich stelle mich

Schon kleiner geworden, Hilde, ich winke ja gar nicht, ich
Warte, ich esse, ich teile mir mit den Wespen
Den kleinsten, jemals von einem Ast gefallenen,
Aufgesprungenen Apfel, ich bin schon
Kleiner geworden

Ich sah ein Bild von Thomas Kunst. Da sitzt er in seinem Haus, neben sich Kakteen, und tut so als sei er in Mexiko
Ich frage ihn: liegt Mexiko nebenan
Mit dem Heizofen steigt die Sonne
Falsches Bild, sagt er
An diesem Ort war ich noch niemals, sage ich
Kann sein, dass er mich einlädt
Seine Kakteen abzustauben
Bin ich fertig darf ich zu den Geistern an seinen Tisch
Ich habe keine Gelegenheit zu lügen
Ich kenne keine Geister, sagt er

s
Als ich Thomas in Frankfurt beim Buchpreis traf
Trug er die üppigen Ringe, ich den schmalen Schlips, es hat uns kein Glück gebracht
Die Luft war verbraucht
Rutschig das Parkett

Aus einem Gedicht von Thomas Kunst:

Hebe ständig Schnecken vom Boden auf, Grashalme,
Filterpapier und die Kinder von Ameisen, ich gehe in
Die Hocke und bleibe so, ich binde mich an einem Baum
Fest und versuche jetzt, von ganz allein zu bluten, ich
Schlenkere mit den Armen, warte auf Wölfe und
Haie, die auch mal für umsonst schwimmen, bin ich..

Für seine Musik bräuchte ich ein paar neue Blätter, um sie vollzuschreiben
Eichenblätter (sehen wie Instrumente aus)
Buchenblätter
Lindenblätter
Sind Schnecken für dich Schnecken, frage ich
Schnecken sind das Universum
Aha, auch die im Salat?

Und wenn ich ihn frage, was kannst du nicht
Zuckt er mit den Schultern
Soweit ich weiß, kann er auch kochen, autofahren, tapezieren undsoweiter, glaubhaft Lügen erzählen
Schifahren kann er nicht, was aber an der Ebene liegt
Ich frage ihn:
Was passiert bei Unvorhergesehenem
Deine Frau wird krank
Deine Katze verliert ein Ohr,
Da muss er in die Nacht durchspazieren
Und sei es auch noch so kalt
Mit Sturm und Schnee und Eis
Muss sich Leid zufügen, um es den Anderen wegzunehmen
Was nützt gegen die Schlechtigkeit der Menschen, frage ich.
Keine Medikamente jedenfalls, sagt er
Wir müssen sie mit Poesie zuschütten

Was wäre Thomas Kunst ohne seine Worte
Ohne die Worte ist er ein Mann ohne Verstand
Ein Kuchenbäcker ohne Zucker
Ein Fleischer ohne Wurst
Wo er Wurst so gern mag, nie nach der Herkunft fragt
Er wäre Hahn ohne Kamm
Ein Frisör mit nur einer Bürste
Wie war doch seine Augenfarbe?

Dichterinnen gratulieren
Dichter gratulieren
Luise Glück grüßt mit schattigem Herzen
Alle Ameisenkinder gratulieren

Dem Meister Thomas Kunst