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»Dieses Haus ist ein Glücksfall für die Literatur«

Fr. 9.5.2025

Am 5. April 2025 wurde das Literaturhaus Vorarlberg in der historischen Villa Iwan und Franziska Rosenthal in Hohenems eröffnet. Geleitet wird das Haus von Frauke Kühn.
Im Interview spricht die Kulturmanagerin über die Anfänge des Projektes und Literaturhäuser als „Orte der Teilhabe“ und erklärt, warum das Literaturhaus Vorarlberg auch tagsüber geöffnet ist und warum es wichtig ist, den Rhythmen des Buchmarkts nicht zu erliegen.

Literaturhaus Wien: Herzliche Gratulation zur gelungenen Eröffnung! In Zeiten globaler Krisen und strikter Sparmaßnahmen auch im Kulturbereich ist die Eröffnung eines neuen Literaturhauses eine erfreuliche Nachricht. Wie ist es gelungen, ein so aufwendiges Projekt umzusetzen und die Fördergeber davon zu überzeugen, dass Vorarlberg ein Literaturhaus braucht und dass dieses Haus nicht in der Hauptstadt Bregenz, sondern in Hohenems stehen soll?

Frauke Kühn: Vielen Dank für die Glückwünsche! Es bedeutet uns sehr viel, dass wir so zahlreiche herzliche und positive Reaktionen zur Eröffnung aus den Literaturhäusern im deutschsprachigen Raum erhalten haben. Es fühlt sich sehr schön an, so willkommen zu sein!
Und ja, es erscheint fast wie ein kleines Wunder, dass es ausgerechnet jetzt möglich war, das Literaturhaus Vorarlberg zu eröffnen. Allerdings muss man wissen, dass die Fördergeber, die jetzt hauptsächlich für die Finanzierung des Literaturhauses verantwortlich zeichnen, nämlich das Land Vorarlberg, die Stadt Hohenems und das Bundeskanzleramt, das Projekt Literaturhaus Vorarlberg schon seit 2019 begleiten. Die Eröffnung des Literaturhauses ist somit kein spontanes Ereignis, sondern das Ergebnis eines langen, gemeinschaftlichen Entwicklungsprozesses – getragen von vielen, die über Jahre an diese Idee geglaubt haben.

Und ja, tatsächlich hätte das Literaturhaus in Vorarlberg einige schöne Orte zur Auswahl haben können. Doch in der historischen Villa Franziska und Iwan Rosenthal mitten in Hohenems ist es optimal platziert. Dieses Haus mit seiner berückend schönen und doch so wohnlichen Atmosphäre ist ein Glücksfall für die Literatur, in einer Stadt, die ihre ganz eigene kulturelle Atmosphäre entfaltet. Darüber hinaus wissen wir alle, wie wichtig es ist, dass Kulturzentren auch außerhalb der üblichen Hotspots, der großen und verdichteten Städte, entstehen. Dafür ist Hohenems in jedem Fall ein sehr spannendes Beispiel.

Wie ist dieses Projekt entstanden? Waren Sie schon von Anfang an dabei?

Die Anfänge reichen bis ins Jahr 2015 zurück. Gemeinsam mit meinem heutigen Vorstandsteam, Daniela Egger und Wolfgang Mörth, die schon 2008 den Begriff Literaturhaus Vorarlberg auf den Tisch legten, habe ich damals im Rahmen des Autorenverbands Literatur:Vorarlberg das „literatur vorarlberg netzwerk“ gegründet. Unterstützt vom Land, sollte es die Vorarlberger Literaturlandschaft stärken, neue Fördermittel erschließen und Projekte an der Schnittstelle von Literatur, Bildung und Gesellschaft initiieren.

Das Netzwerk war zunächst auf drei Jahre angelegt und wurde im Sommer 2018 erfolgreich evaluiert, genau zu dem Zeitpunkt, an dem die Villa Franziska und Iwan Rosenthal in Hohenems vom letzten privaten Besitzer an eine Investorengemeinschaft veräußert wurde – ein entscheidender Moment: Für Stadt und Investoren lag eine öffentliche, kulturelle Nutzung der Villa nahe, und die positiven Erfahrungen mit dem Netzwerk führten dann gemeinsam mit der Kulturabteilung des Landes zur Idee, das Netzwerk in ein Literaturhaus Vorarlberg umzuwandeln.

Nach einer intensiven Konzeptphase erfolgte der eigentliche Startschuss mit einer Pressekonferenz im Februar 2019. Trotz großer Herausforderungen wie Corona und dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine, die das Projekt verzögerten, blieb die Unterstützung von Stadt, Land und Bund aufrecht. Das ermöglichte uns, mit Sorgfalt zu planen, externe Expertise einzubinden und das Haus inhaltlich weiterzuentwickeln. Es war ein besonderes Geschenk, vom ersten Moment bis zur Eröffnung dabei zu dürfen und mit viel gestalterischer Freiheit und Sorgfalt arbeiten zu können.

Von Beginn an im Dialog mit den Besucher:innen

Am Eröffnungstag herrschte prächtiges Wetter und auf den Fotos sind lange Warteschlangen zu sehen. Das Wetter ist ein Geschenk, der Besucher:innenandrang hingegen ist das Ergebnis Ihrer Arbeit. Wie gelingt es, so viele, auch unterschiedliche Menschen fürs Lesen und fürs Schreiben zu begeistern?

Dass der Eröffnungstag mit rund 1.400 Besucher:innen so ein Fest werden durfte, ist unter anderem der umsichtigen Arbeit des Architekten Ernst Waibel und der Restauratoren geschuldet. Das Schicksal der Villa schien lange Zeit ungewiss – während die Fassade außen zunehmend bröckelte, wurde der Wunsch der Bevölkerung, dieses Haus vor dem Verfall zu retten, größer und größer – und eben das ist jetzt passiert.

Zu dieser Magie des Hauses haben wir die unsrige dazugelegt – und zwar schon während der Revitalisierungsphase. Für uns war immer klar: Wir möchten unsere künftigen Besucher:innen von Beginn an auf dem Weg des Werdegangs des Literaturhauses mitnehmen. Deshalb haben wir punktuelle Veranstaltungen in der Villa durchgeführt, als diese noch Baustelle war. Mit unserem Live-Lektorat kill your darlings im alten Gartensalon oder auch der nacht:lyrik in der früheren Kutscheneinfahrt konnten wir die Wirkung der Räume und unserer Formate testen – und uns bei Autor:innen, Verlagen und dem Publikum vorstellen.

Parallel dazu haben wir immer wieder auf partizipative Projekte gesetzt – etwa mit dem Stadtflüstern, das Lieblingsorte der Hohenemser:innen in der Stadt hörbar machte, oder mit I remember, das Erinnerungen der Hohenemser:innen zur Villa in das Literaturhaus trug. Derweil tourte unser #tinyliteraturhaus als Mini-Ausgabe des großen Literaturhauses in den vergangenen zwei Jahren kontinuierlich durch den öffentlichen Raum in Vorarlberg. Es befragte die Bevölkerung in Schulen, auf dem Wochenmarkt, in Einkaufszentren, beim Weltflüchtlingstag, aber natürlich auch in Kulturinstitutionen immer wieder in Form kurzer schriftlicher Statements oder über Abstimmungssticker nach ihren Wünschen und Ideen. Und wir haben hingehört: Gewünscht ist ein Haus, das sich auch tagsüber öffnet – und zwar für alle. Obwohl uns mehr als einmal davon abgeraten wurde, haben wir uns dazu entschlossen, dass das Literaturhaus Vorarlberg ein Haus für alle sein will.

Das Literaturhaus Vorarlberg ist in einem kostspielig revitalisierten denkmalgeschützten Gebäude beheimatet. Wie gehen Sie mit den architektonischen (viele verschiedene auch kleinere Räume) und denkmalschützerischen Vorgaben um? Was waren und sind die größten Herausforderungen?

Die Villa besteht aus zwei Gebäudekomplexen – einer geht auf das Jahr 1823 zurück, der andere wurde im Auftrag von Iwan und Franziska Rosenthal 1890 von zwei Schweizer Architekten angebaut. Da die Rosenthals keine Kinder hatten, erbte ihre Nichte Amalie Hess das Haus, als Iwan 1929 und Franziska 1931 verstarben. 1937 veräußerte Amalie Hess – als Schweizer Jüdin unter dem Druck des Nationalsozialismus – die Villa an eine österreichische Familie. Deren Sohn war der letzte private Besitzer, der das Haus 2018 an eine Investorengemeinschaft verkaufte.

Wir können mit dem Haus natürlich nicht frei verfahren – Nägel oder Schrauben dürfen nicht einfach in die Wände. Auch die schrägen Fußböden sind eine Herausforderung: für Schreibtische, Bücherregale und für alle Küchenbauer. Aber am Ende geht es eben doch: Wir hatten während der gesamten Zeit eine wirklich gute Begleitung durch das Denkmalamt, den Architekten Ernst Waibel und die Restauratoren Helge Bartsch und Markus Pescoller.

Sprachbühne & Ort der Teilhabe

Eines der ersten Literaturhäuser im deutschen Sprachraum wurde 1986 in Berlin eröffnet – ein Haus mit Eintritt, gediegenem Restaurant und Buchhandlung. Die ersten Literaturhäuser in Österreich – Wien und Salzburg – folgten 1991. Mittlerweile gibt es in Österreich in jedem Bundesland und in Deutschland in jeder größeren Stadt ein Literaturhaus. In den letzten 40 Jahren haben sich nicht nur die Produktions- und Distributionsbedingungen von Literatur verändert (Internet, self publishing, KI). Auch die Themen (z. B. Umweltschutz, Klimawandel, Gender) und die Leser:innen (zunehmende Diversifizierung der Leser:innengruppen z. B. young adult usw.) haben sich gewandelt.
Worin sehen Sie heutzutage die Aufgaben eines Literaturhauses – und was sind die größten Herausforderungen?

Literaturhäuser sind heute mehr denn je Bühnen für Sprache – Orte, an denen Literatur live erlebt, gehört, verhandelt und weitergedacht werden kann. Im Literaturhaus Vorarlberg verstehen wir diesen Auftrag bewusst breit: Wir öffnen den Raum für neue Formen von Literatur und für die unterschiedlichen Communitys, die eigene Wege gefunden haben, sich mit Sprache, Text und Literatur auseinanderzusetzen.
Das Haus ist nicht nur ein Veranstaltungsort, sondern auch ein Ort der Teilhabe: ein Raum, in dem mit Sprache gestaltet werden kann – der aber auch selbst gestaltbar bleibt. Ziel ist eine Atmosphäre, in der Austausch auf Augenhöhe möglich ist. Wir möchten die Neugier auf Sprache und ihre Möglichkeiten wecken – auch und gerade bei jenen, die sich bisher selten oder nie von Literaturangeboten angesprochen gefühlt haben, sei es durch sprachliche Barrieren, durch biografische Brüche oder durch fehlende kulturelle Anknüpfungspunkte.

Diese Offenheit beginnt im besten Fall schon lange vor der Schwelle des Literaturhauses: Seit Jahren sind wir mit literaturvermittelnden Projekten in Kindergärten, Schulen und im öffentlichen Raum aktiv. Wir nutzen Plätze, Haltestellen oder Stadtzentren als Orte für literarische Impulse, damit Sprache dort erlebt werden kann, wo sich Menschen im Alltag begegnen und das gemeinsame Erzählen beginnt. Immer eingebunden: Autor:innen, Illustrator:innen, Übersetzer:innen oder Institutionen als Kollaborationspartner:innen.

Eine zentrale Herausforderung sehe ich darin, den Rhythmen des Büchermarkts nicht gänzlich zu erliegen. Manche Autor:innen möchten nicht nur auf ihrer Lesereise mit einer Neuerscheinung bei uns sein. Wichtig bleibt auch die Frage, wie es gelingen kann, in einer stark beschleunigten und medial überfrachteten Gegenwart die Aufmerksamkeit der Gesellschaft immer wieder auf die Sprache selbst zu lenken – auf ihr gestalterisches Potenzial, auf ihren gesellschaftlichen Wert. Wenn das Literaturhaus als Ort wahrgenommen wird, an dem diese Auseinandersetzung stattfindet und Freude macht, wird es auch künftig seine Relevanz behaupten können.

„ganz nah an den Menschen“

Sind Sie als Geschäftsführerin sowohl für die inhaltliche Ausrichtung als auch für das Kaufmännische verantwortlich. Wie funktioniert das? Gibt es ein Team, mit dem Sie die Inhalte erarbeiten?

Ich bin sowohl für die inhaltliche Ausrichtung als auch für die kaufmännische Verantwortung des Literaturhauses zuständig. Dieses begann als kleines Projekt und ist inzwischen zu einer Institution herangewachsen. Die personelle Infrastruktur muss nun nachwachsen. Aber zum Glück bin ich mit meinen Aufgaben nicht allein. Der Vorstand und der professionelle Beirat des Trägervereins literatur.ist bieten fachliche Unterstützung und Abgleich der strategischen Zielsetzungen. Mein operatives Team ist das Herzstück des Literaturhauses: Jenny Spiegel, Marina Höfler und Valerie Meinitzer bringen ihre Expertise und Leidenschaft ein, um die Positionierung des Literaturhauses, die wir gemeinsam entwickelt haben, in Projekten, Veranstaltungen und oder auch auf unseren Social-Media-Kanälen zu realisieren. Unverzichtbar ist außerdem Eva Maria Alge, die mich durch die vielen Zahlen und Excel-Tabellen begleitet. In den letzten Jahren habe ich zudem gelernt, wie wichtig es ist, auch externe Expert:innen hinzuzuziehen, um Barrierefreiheit und inklusive Kulturarbeit wirklich zu verstehen.

Viele Angebote finden tagsüber und bei freiem Eintritt statt. Auffällig ist der Fokus auf dialogische Formate und Angebote für Schreibende – von deinschreibtisch bis zur Schreib-Sprechstunde. An wen richten sich die jeweiligen Formate und wie werden sie entwickelt?

Wir entwickeln alle unsere Formate im Team und prüfen dabei immer wieder, ob wir wirklich ehrlich zur Ausrichtung des Literaturhauses sind. Da wird nicht selten gefeilt, manchmal auch wieder verworfen. Umso schöner ist der Moment, wenn eine Idee plötzlich ihre stimmige Form gefunden hat. Kreativität, langer Atem, die Freude am Experiment und viel Humor geben sich bei uns ständig die Hand.

Das Haus tagsüber und für alle zu öffnen, war – wie schon erwähnt – eine Grundsatzentscheidung. Neben wenigen Abendveranstaltungen und wiederkehrenden Projekten haben wir kleinere Angebote entwickelt, die jederzeit im Haus eigenständig von Besucher:innen genutzt werden können. So haben u. a. Michael Stavarič, Heinz Janisch oder auch Christina Walker in den vergangenen Jahren dem Haus ihre Stimme und Fotografen ihr Auge geliehen. Entstanden sind literarische Kurzgeschichten und Fotografien, die via QR-Code am Handy gelesen und angeschaut werden können. Die Literaturhaus-Apotheke bei uns im ersten Stock ist mit lindernden Kürzesttexten gegen Zahnweh, Kopfweh oder auch Liebeskummer bestückt – verfasst von Autor:innen der Literatur Vorarlberg.
Da es in Vorarlberg zahlreiche etablierte Lesebühnen gibt, erschien uns ein weiteres Lesungsformat nicht sinnvoll. Stattdessen fokussieren wir uns vor allem auf das Prozesshafte der Sprache: Was geschieht beim Schreiben, Lektorieren, Übersetzen? Gleich in der Eröffnungwoche lektorierte etwa Christian Futscher mit seinem Lektor Florian Huber live ein unveröffentlichtes Manuskript. Monika Helfer sprach Anfang Mai mit der literarischen Übersetzerin Dorthe Seifer aus Kopenhagen darüber, wie Bedeutung von einer in die andere Sprache fällt. Und mit dem Daumenkino-Projekt Großes kleines Kino mit 9 Künstler:innen aus Österreich, der Schweiz und Tschechien haben wir unsere Liebe zum grafischen Erzählen gezeigt.

Der Wintergarten der Villa ist außerdem ein guter Ort, um Hausaufgaben zu machen oder sich als Lerngruppe auf eine Präsentation vorzubereiten. In der Schreibsprechstunde helfen wir bei Deutschschularbeiten oder beim Verfassen von Abschließenden Arbeiten. Auch hier zeigt sich das Prozesshafte der Sprache.

Ich bin Fan all unserer Formate, weil ich ihren Weg kenne und weiß, wie sorgsam das Team an ihnen gearbeitet hat. Am Ende einer zufallsbegegnung, bei der sich zwei Menschen live vor Publikum kennenlernen, meinte eine Besucherin im letzten Sommer zu mir: „Frau Kühn, es fühlt sich so an, als seien Sie mit dem Literaturhaus ganz nah an den Menschen.“ Damit könnte sie dieses große und so vielfältige Haus auf seinen Punkt gebracht haben.

„Wir möchten eine vielstimmige Erzählung“

Viele Literaturhäuser kämpfen mit sinkenden Besucher:innenzahlen. Was sind Ihrer Ansicht nach mögliche Gründe? Und was könnte man diesem Besucher:innenschwund entgegensetzen? Manche Vorschläge gehen in die Richtung, den Besucher:innen, die ja auch Leser:innen und mitunter auch Autor:innen sind, eine aktivere Rolle bei der Programmgestaltung anzubieten.

Während des Entwicklungsprozesses wurde mir mal die Frage gestellt, wer die Macht über die Geschichte dieses Literaturhauses hat. Wir haben im Team diskutiert und waren uns einig, dass wir eine vielstimmige Erzählung möchten. Deshalb öffnen wir auch die kuratorische Ebene immer wieder für externe Expert:innen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Interessen oder ermöglichen Formate für junge Menschen, die erste Schritte im Kulturmanagement gehen möchten, unter dem Label *young edition.

Schließlich haben wir uns immer wieder gefragt, ob in unserem Tun unbeabsichtigte Gesten versteckt sind, mit denen wir Menschen ungewollt ausladen. Deshalb gibt es bei uns einen richtig schönen Wickeltisch, QR-Codes, die mit Braille-Schrift versehen sind, oder einen Clip, der Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen schon in der Kutscheneinfahrt in Gebärdensprachen begrüßt. In Kürze wird es außerdem Piktogramm-Geschichten geben, die Menschen ohne mündliche Sprache ins Erzählen einladen. Je tiefer wir hier mit Expert:innen vor Ort eintauchen, desto bewusster wird uns, auf wen wir noch nicht einladend wirken.
Unser Ziel ist es, das Literaturhaus zu einem Ort für alle zu machen, an dem jeder seinen Platz finden kann, sei es als Lieblingsschreibort oder schöner Leseplatz.

Das Wachstum und die Institutionalisierung des Literaturhauses sind nach wie vor eine Herausforderung. Ein so schönes Haus zu haben, ist ein Privileg, aber es kommen auch infrastrukturelle Fragen auf, die gelöst werden müssen. Die Barrierefreiheit und Anpassung an die Bedürfnisse des Hauses sind momentan große Herausforderungen.

Auf der Literaturhaus-Homepage gibt es viele Angebote an interessierte Besucher:innen – zum Beispiel „Werde Gastgeberin!“
Wie funktioniert das und welche Erwartungen verbinden Sie damit?

Wir laden Menschen ein, uns ehrenamtlich zu unterstützen. Sie sind tagsüber die ersten Ansprechpersonen für unsere Besucher:innen und reagieren auf erste Fragen und Wünsche. Begrüßungskultur ist enorm wichtig; als kleines Team können wir das Front- und Backend nicht gleichzeitig meistern, daher suchen wir Menschen, die uns als Gastgeber:in ihre Zeit schenken möchten. Die ersten zwei neuen Teammitglieder sind schon zwei Wochen vor der Eröffnung zu uns gekommen und unterstützen uns jetzt ganztags. Zehn weitere Personen sind eine Woche nach der Eröffnung dazugekommen. Ein Ergebnis, das uns schlicht überwältigt! Langfristig gibt es die Vision, dieses Team in geringfügig Angestellte umzuwandeln, denn Fair Pay ist auch eine Grundsatzentscheidung im Literaturhaus Vorarlberg.

kleines Land mit großer Literatur

Es gibt viele großartige Autor:innen mit Vorarlberg-Bezug. In Hohenems etwa Monika Helfer und Michael Köhlmeier. Welche Rolle spielt Literatur aus Vorarlberg/Österreich im Programm des Literaturhaus Vorarlberg?
Gibt es Ihrer Ansicht nach so etwas wie eine Vorarlberger bzw. eine österreichische Literatur? Und falls ja, woran könnte man diese erkennen?

Den Autor:innen in Vorarlberg galt immer mein erster Gedanke. Sie sind es, die diesem kleinen Bundesland das literarische Fundament und die Kraft verleihen. Kaum eines unserer Projekte der letzten zehn Jahren hat ohne Vorarlberger Autor:in stattgefunden. Im Literaturhaus sind ihre Texte in der Apotheke und auch im literarischen Picknickkorb mit dem Thema Vorarlberg vertreten. Selbstverständlich sind sie auch im Veranstaltungsprogramm eingebunden. So wird im Mai die Literatur Vorarlberg ihre Publikation V# bei uns vorstellen und Michael Köhlmeier mit dem bekannten Hörbuchsprecher Christian Brückner literarische Motive von der Antike bis zur Gegenwart präsentieren; andere Autor:innen werden z. B. Workshops leiten.

Es reizt uns außerdem, Vorarlberger Autor:innen immer wieder in internationale Projekte einzubinden – etwa bei unserer Lesebühne nacht:lyrik mit internationalen Lyriker:innen, im Corona-Briefwechsel Cara Roberta mit Autor:innen von Italien bis in die USA, bei to be continued, wo 100 Schüler:innen ein europäisches Schreibkollektiv bilden, oder bei poetica magica, wo mit einem Partner aus dem jeweiligen Gastland der Frankfurter Buchmesse ein einminütiger Graphic Poetry Clip entsteht.

Die Dichte renommierter Stimmen mit Bezug zu Vorarlberg ist erstaunlich. Gleichzeitig zeigt sich für mich gerade an ihren individuellen Stimmen die Vielfalt der Literatur. Dass sich all diese Stimmen hier vor Ort auf ihre eigenen Weise entwickeln konnten, ist vielleicht auch auf die konsequente Literaturförderung des Landes zurückzuführen. Bei der Literatur in Österreich habe ich große Freude daran, dass der Fokus häufig deutlich auf dem Erzählen liegt, der Suche nach neuen Ausdrucksformen und der Lust auf das Experiment. Insofern ist Vorarlberg vielleicht ein besonders repräsentatives Beispiel für Österreich selbst: ein kleines Land mit großer Literatur.

Das Interview fand per E-Mail statt. Die Fragen stellte Barbara Zwiefelhofer.

  • Haus: Die Villa Franziska und Iwan Rosenthal in der Radetzkystraße 1 in Hohenems verfügt über 1.500 m2 Wohnfläche. Davon hat das Literaturhaus Vorarlberg 360m2 im Erdgeschoß und auf der Beletage gemietet. Der angrenzende Park gehört der Stadt Hohenems.
  • Team: Frauke Kühn (Geschäftsführerin) / Jenny Spiegel (Kinder- und Jugend) / Marina Höfler (partizipative Projekte) / Valerie Meinitzer (Social Media) / Eva Maria Alge (Buchhaltung)
  • Programm: ganzjährig mit 4 bis 5 Veranstaltungen im Monat und ebenso vielen Lese-Schreib- und Workshopangeboten untertags
  • Eintritt: tagsüber ist der Eintritt frei, bei Abendveranstaltungen gilt pay as you wish

Frauke Kühn, geb. 1972 in Peine (D), studierte Deutsch und Englisch an der Universität Bielefeld sowie Kultur- und Medienmanagement an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Seit 2002 lebt und arbeitet sie als Kulturmanagerin in Feldkirch in Vorarlberg, seit 2019 ist sie als Geschäftsführerin für die Konzeption und Entwicklung des Literaturhauses Vorarlberg verantwortlich.
Kühn war Mitglied der Kulturkommission und des Kulturbeirats des Landes Vorarlberg sowie Mitglied in regionalen und überregionalen Literatur- und Comic-Preis-Jurys. Für das Projekt Paula. Ein literarischer Begleiter durch Feldkirch (2017) wurde sie (gemeinsam mit der Stadtmarketing und Tourismus Feldkirch GmbH) mit dem Tourismus Innovationspreis ausgezeichnet, 2020 erhielt sie für die Programmierung des künftigen Literaturhauses Vorarlberg den Förderpreis der Internationalen Bodenseekonferenz. Zudem war sie mit dem Projekt to be continued 2022 für den Österreichischen Europa-Staatspreis in der Kategorie Europa in der Schule nominiert. In dem Band Die Literarische Provinz (2021) veröffentlichte sie den Beitrag Die literarische Provinz in der Praxis.
Frauke Kühn hat zwei erwachsene Kinder, ist ein Fan von Podcasts und im Sommer am liebsten in Dänemark. Wenn der Tag zu laut war, greift sie wahlweise zum Buch oder zum Fotoapparat.

Team des Literaturhaus Vorarlberg v. li. n. re.: Valerie Meinitzer (Social Media), Marina Höfler (Projektmanagement), Jenny Spiegel (Kinder- und Jugendprogramm, PR), Wolfgang Mörth (Obfrau-Stellvertreter, literatur.ist), Daniela Egger (Obfrau, literatur.ist) , Eva-Maria Alge (Buchhaltung), Frauke Kühn (Geschäftsführung), Foto: © Simon Egle

Besucher:innenandrang bei der Eröffnung des Literaturhaus Vorarlberg in der Villa Rosenthal, Foto: © Lukas Mathis

Literaturhaus Vorarlberg / Außenansicht Straßenseite vor dem Umbau

Literaturhaus Vorarlberg / Außenansicht Gartenseite vor dem Umbau

Literaturhaus Vorarlberg / Außenansicht in der Endphase des Umbaus

Literaturhaus Vorarlberg / Renovierung eines Deckenfreskos

Literaturhaus Vorarlberg / Einbau der renovierten Glasfenster

Literaturhaus Vorarlberg / renovierte Glasfenster im Treppenhaus

Literaturhaus Vorarlberg / Einblick ins Treppenhaus

Literaturhaus Vorarlberg / Einblick ins Treppenhaus

Literaturhaus Vorarlberg / Esszimmer

Eröffnung Literaturhaus Vorarlberg am 5. April 2025: Hengameh Yaghoobifarah (2. v. li.) , Nando von Arb (2. v. re.) und Raphaela Edelbauer (re. ) präsentieren im Esszimmer ihre Lieblingswidmungen, Moderation: Frauke Kühn (li.)
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